Alte Wärmflasche aus Zeiten, in denen geplante Obsoleszenz noch ein Fremdwort war

Alterungsprozesse

Produkte sind nicht für die Ewigkeit gedacht. Verbrauchsgüter sind per Definition flüchtiger Natur und Gebrauchsgüter sollen den Kunden auch nur eine Weile lang begleiten. Eine Reihe unterschiedlicher Faktoren bestimmt wie lange die Freude an einem Gebrauchsgut währt. Diese Faktoren können natürlicher Art sein, wie menschliches Versagen im Umgang mit dem Erworbenen, häufige Regenfälle oder Elefantenherden. Sie kommen aber auch ganz und gar unnatürlich daher. „Geplante Obsoleszenz“ heißt die künstlich erzeugte Form von Alterung und ihre Erscheinungsformen sind vielseitig wie ein Wiesenblumenstrauß:

Nicht in Mode
Modewellen verursachen Stürme, denen nicht nur die mit dem Begriff eng verschmolzene Kleidung, unterliegt. Ein an sich noch gesundes Produkt steht plötzlich vor einer baldigen Entsorgung, weil eine komplexe Kombination von entscheidenden Vorkommnissen in einer bestimmten Zeitperiode gerade den Ton angibt.

Vom Fortschritt verweht
Fortschritt ändert die Art wie wir leben. Obwohl es beispielsweise immer noch Röhrenfernseher und Schalplatten gibt, werden sie langsam aber sicher in eine kleine Nische gefegt.

Seltsame Fehleranfälligkeit von Samstagprodukten
Montagsautos entstehen durch eine Ansammlung von Zufällen. Absichtlich herbei geführte Fehleranfälligkeit ist nüchternes Kalkül.
Ein Unternehmen der westlichen Welt hat es schwer. Die Märkte sind gesättigt, die Kunden werden immer anspruchsvoller und die Konkurrenz kämpft mit harten Bandagen. Es wundert also nicht, dass geplante Obsoleszenz fester Bestandteil der Marketingwelt geworden ist. Doch diese Produktstrategie birgt gewisse Risken und Nebenwirkungen. Die einen verstricken sich leicht in Widersprüche und landen auf der dunklen Seite der Inkonsistenz, die anderen begeben sich ohne Umwege in Teufels Küche:

Obsoleszenz gegen Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit ist der natürliche Gegner von geplanter Obsoleszenz. Ist Ihr Unternehmen beispielsweise gerade Mitglied von econsense geworden, dann bringt ein Produkt, das nicht mehr ist als ein Beitrag zum ständig anwachsenden Müllberg, irgendwie den Sinn des Ganzen ins Wanken. Noch deutlicher: Wenn Sie so viel für Nachhaltigkeit tun (möchten) wie BMW laut eigener Verantwortungserklärung, dann lassen Sie Ihr Produkt zum Klassiker werden, nicht zum schnelllebigen Schrotthaufen.

Gegenbewegung potenzieller Zielgruppen
Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft, mag der Marktforscher herausgefunden haben. Diese Gesellschaft hat aber auch Rebellen hervor gebracht, die sich gruppieren und mutwillig Strategien umgehen. Es wird repariert (zum Beispiel bei iFixit, wenn man des Englischen mächtig ist) und selbst gebastelt (zum Beispiel in den Offenen Werkstätten).

Ist der Ruf erst ruiniert
Negative Berichterstattung und Mund zu Mund Propaganda enden nicht immer mit Untreue. Bei Business to Business Unternehmen stehen langwierige Prozesse, Politik und Fluktuation einer Abkehr im Wege. Konsumentenentscheidungen sind nicht minder kompliziert. Doch in einer Welt voller Gegensätze und schnellen Wandels ist die Entscheidung, das Leben eines Produktes künstlich zu verkürzen, eine gefährliche Gratwanderung zwischen Aufstieg und Untergang.
Wird das Thema „geplante Obsoleszenz“ in den Medien betrachtet, bezieht es sich häufig auf Konsumgüter und stellt den Verbraucher als Opfer dar. Es wird zu selten erwähnt, dass der Konsument eine Wahl hat.

„Ich habe keine andere Wahl.“ ist ein Synonym von „Ich möchte die Konsequenzen für diese Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt nicht tragen.“ Nur sehr selten hat man tatsächlich nur eine einzige Alternative. Wenn man vor einem Abgrund steht und die einzige Hand, die ausgestreckt wird, die eines Feindes ist, dann muss man diese natürlich nicht ergreifen. Aber wer möchte sich schon in den Tod stürzen? Die Konsequenz ist also, man lässt sich vom Feind retten. Ein anderes Beispiel ist die Suche nach dem besten Ergebnis. Was in Vergessenheit geraten ist und dennoch am Wahrheitsgehalt nichts ändert: Es gibt neben Google auch noch andere Suchmaschinen. Es erscheint einem allerdings fatal, auf die üblichen 1.000.000.000.000 relevanten Einträge verzichten zu müssen. Mögliche Auswirkungen auf den Verlauf des weiteren Lebens – schier unzumutbar.

Produktstrategien sind nur ganzheitlich und langfristig zu betrachten. Wo will mein Unternehmen hin? Möchte ich Dagobert Duck nacheifern und einen Haufen Goldmünzen ansammeln? So viele Produkte wie möglich verkaufen, damit es nur noch meine Produkte gibt und sonst keine? Oder die Welt verändern? Wir alle haben eine Wahl. Sie ist es, die Individuen, Marken oder Unternehmen von einander unterscheidet. Wie J.K. Rowling mit den Worten von Dumbledore sagte:

„It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities.“

2 Gedanken zu „Alterungsprozesse“

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