The Good Fairy - Geschäftsschild mit der Frage: Würden Sie bitte die Frage anders formulieren?

Die maschinelle Simulation menschlicher Nähe

Heutzutage dreht sich alles um Beziehungen mit Kunden.

Hörte ich neulich bei einer Marketingveranstaltung zum allseits dehnbaren Thema Digitalisierung. Ständig auf die Uhr schauend und doch die Zeit missachtend, beteten zwei von drei Referenten den Inhalt ihrer Folien herunter und drohten dem – aus potenziellen Kunden bestehenden – Publikum: „Ich habe noch achtzig Folien, wir könnten also noch ganz lange so weitermachen.“

Die Beziehung, der man sich in der Theorie geradezu mit Besessenheit widmet, nahm vor Ort keinen guten Anfang. Wie lässt sich das widersprüchliche Verhalten erklären?

Für Marketer und ihre Verwandten war der Kunde über Jahrzehnte hinweg ein nicht näher bekannter Teil einer grauen Masse. Sie überschütteten ihn mit allerlei Häppchen, in der Hoffnung, der richtige Köder würde schon dabei sein. Den direkten Kontakt beschränken sie aufs Nötigste. Um die Kostenstruktur zu optimieren, installierten die Verantwortlichen Hotlines, in denen man zunächst von einem Roboter zu Zahlenspielen aufgefordert wurde, um anschließend die guten Deutschkenntnisse der philippinischen Callcenter-Angestellten bestaunen zu können. Auf ihren Websites errichteten sie verschachtelte Online Service Center, aus denen der Kunde häufig nur mit Hilfe eines Ariadnefadens herausfand.

Irgendwann breiteten sich die sozialen Medien sowie Netzwerke aus, woraufhin Gurus den Marketern mitteilten, jeder Kunde verlange plötzlich eine Sonderbehandlung. Wolle ein enges Verhältnis zum Unternehmen. Eins zu eins. Doch in Wirklichkeit hatte der ein oder andere Kunde ausreichend leidige Erfahrungen gemacht und den zwischenmenschlichen Kontakt mit Unternehmen aufgegeben. In einer Umfrage von Oracle und Coleman Parkes Research gestanden sich ein Drittel der Manager ein, dass der Kunde lieber einen Kauf tätigen würde, ohne mit einem Vertreter des Unternehmens sprechen zu müssen. Auch Probleme mit dem Produkt möchte er lieber selbst lösen können.

„Na sowas!“ rufen Marketer, die nur das Fettgedruckte in der Zusammenfassung einer Studie lesen, und machen sich erneut den technologischen Fortschritt zunutze. Der hilft ihnen schließlich dabei, weitere Kosten zu sparen und dem Wunsch der Kunden nach Autonomie entgegenzukommen. Das nächste große Ding sind Computerprogramme, die menschliche Aufgaben erledigen, um dem Kunden das Gefühl zu geben, er würde persönlich (aka menschlich) behandelt. Diese Software-Roboter arbeiten ohne Widerworte an Feiertagen, fahren nie in Urlaub und hören auf Vornamen wie Alexa, Jana oder Elias. Ihr Familienname: ChatBot.

Chat kommt von Plaudern. Bot von Roboter. Ein ChatBot schenkt uns also die Illusion von einer Unterhaltung – schriftlich, in einem Chat-Programm oder mündlich, durch Geräte wie Amazon Echo. Jeder vierte Deutsche kann sich vorstellen eine solche zu führen. Und warum auch nicht? Sie übertrifft das Gespräch mit manch einem Artgenossen.

 

Gewinnt Martin Schulz die nächste Wahl zum Bundeskanzler?
Die deutsche Bundeskanzlerin ist die CDU-Politikerin Angela Merkel.

Elias

 

Wieso ändert sich das Porto für den Brief von Jahr zu Jahr?
Ja, das wüsste ich auch gern. Ich versuche aber gerne eine Frage zu E-POST zu beantworten.

Jana

 

Gibt es Aliens?
Worauf wollen Sie hinaus? Wenn ich mal nicht weiter weiss, finden Sie die Information, die Sie suchen vielleicht in unserem Glossar oder über unsere Suche: suche.bundestag.de/search_bt.do

Adler

 

Dass der Adler „weiss“ und nicht „weiß“ schreibt, liegt sicher daran, dass viele der ChatBot-Familien aus dem Silicon Valley kommen. (Das ist dieses Traumland auf der anderen Seite der Welt, in dem das neue Öl verarbeitet wird.) Die meisten Sprösslinge – inzwischen mehr als 34.000 – leben auch hierzulande auf Facebooks Messenger. In diesem sozialen Netzwerk hält sich der gemeine Kunde gerne auf und Facebook tut alles, damit er die geschützte Umgebung nicht einmal im Schlaf verlässt.

Wie es sich für einen Hype gehört, versammeln sich seine Nutznießer regelmäßig: Die ChatBot Summit in Berlin konnte tonangebende Unternehmen wie Amazon, Deloitte, SAP, Facebook oder IBM als Sponsor gewinnen. Sicher hatte man nicht vergessen zu erwähnen, dass sich im 21. Jahrhundert alles um Beziehungen mit Kunden dreht.

Wir könnten hier noch lange so weiterreden – ich habe noch mindestens achtzig Seiten Recherchematerial. Aber vielleicht sind Sie ja auf die Idee gekommen, selbst eine Unterhaltung mit Ihren Kunden zu simulieren. Das geht natürlich ganz leicht, zum Beispiel mithilfe von Dexter. Über mögliche Konsequenzen informieren Sie sich bitte im Kleingedruckten. Ihre Kunden werden es zu schätzen wissen. Genauso wie einen durchdachten Ansatz, bei dem Mensch und Maschine aufeinander abgestimmt zu seinem Wohl handeln.

Wir freuen uns auf Ihre Ideen und Anregungen

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