Tsunami Warnung: Anweisung was zu tun ist, wenn ein Trsunami droht.

Du hast keine Wahl

Jeder bekommt den ganzen Tag über so viele Informationen, dass er den gesunden Menschenverstand verliert.

Das soll Gertrude Stein gesagt haben – eine Frau, die von 1874 bis 1946 lebte, also einige Jahre v.d.I. (= vor dem Internet). Hätte sie die Auswirkungen der Informationsflut, die uns jeden Tag umspült, miterleben dürfen, wäre sie womöglich auf eine einsame Insel ohne Strom geflüchtet.

Als in den 1990er Jahren das Internet für kommerzielle Zwecke frei zugänglich wurde, konnte man alle darin befindlichen Botschaften ausdrucken und in einen Ordner packen: 1992 existierten weltweit genau zehn Websites. Im Jahre 2002 waren es bereits 38.760.373. In der Sekunde, in der ich tippe, zeigt der Zähler 1.277.917.287 an. Wenn Sie den Artikel lesen, dürfte er sich noch mal deutlich nach oben bewegt haben.

Die allerorts heiß geliebten Smartphones rufen diese Seiten auf Wunsch jederzeit auf. Und neben den Mobilfunksignalen sorgen auch alte Bekannte dafür, dass die meisten Menschen permanent auf Empfang sind: Fernsehen; Radio; Zeitschriften; Handzettel; Freunde; Familie oder Fremde, die einem in der U-Bahn ihre Wahrheiten ins Gesicht schreien. Sich aus einem wütenden Ameisenhaufen zu befreien erscheint weitaus leichter, als Informationen zu entkommen.

Das hat Folgen: Digitale Zombies bevölkern die Erde. Die Aufmerksamkeitsspanne sinkt unaufhörlich (denkt man und liegt damit nicht unbedingt richtig), während die unterbewusste Informationsübermüdung entlang derselben Kurve steigt (zumindest dem Gefühl nach). So ein Gesellschaftszustand kommt allen, die übers Internet etwas verkaufen wollen, zupass. Denn, Hand aufs Herz: Lesen Sie je die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Online-Händlern?

Lange Texte, die wir uns fürchten zu lesen, gehören längst zum Alltag. Jeder Klick auf ein Kästchen macht uns erneut zu Lügnern – wir können nicht anders. Deshalb gesellen sich regelmäßig neue Möglichkeiten, Konsumenten die Qual der Wahl zu ersparen, dazu. Das Ganze passiert im Sinne der „Conversion“, einer Art wundersamen Verwandlung, bei der ein ahnungsloser Websitebesucher zum Konvertit wird, also genau das tut, was der Websiteanbieter will (z.B. einen Newsletter abonnieren, Waren kaufen, virenverseuchte Links anklicken).

Wenn Sie schon mal bei Amazon eingekauft haben, wissen Sie, dass manchmal die Gestaltung zum erwünschten Ergebnis führt, nicht etwa der Inhalt.

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Wer Newsletterabonnenten gewinnen möchte, greift derzeit gerne zum „Friss oder Stirb-Overlay“. Das kleine Fenster, das sich über die Website legt, zeigt uns auf eindeutige Art und Weise: ein Leben ohne den Newsletter kann nicht lebenswert sein.

Wissenschaftliche Untersuchungen haben bewiesen, dass Abonnenten unseres Newsletters klüger, attraktiver und mindestens 50% toller sind als der Durchschnitt.

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Wir nutzen ein Verb, das es laut Duden gar nicht gibt. Krass. Haben Sie das überhaupt bemerkt? Ihre Konkurrenz ist Ihnen wieder um Längen voraus. Also husch!

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Bei all den plumpen Versuchen, aus unserer informationsbedingten Erschöpfung Kapital zu schlagen, rät der gesunde Menschenverstand, gelegentlich offline zu gehen. Ja, sogar drastische Maßnahmen zu ergreifen – beispielsweise das Smartphone auszuschalten. Was machen wir stattdessen? Laden Apps herunter, die unser Telefon in einen sogenannten Thrive-Modus versetzen. Anschließend lassen diese jeden, der versucht, Kontakt aufzunehmen, wissen, dass wir uns gerade geistig weiterentwickeln.

Gertrude Stein dreht sich schwindelig im Grab.

 

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