Lachendes Radieschen als Symbol für Natur imSupermarkt

Natur auf dem Laufsteg

Wie definiert man eigentlich den Begriff „normal“ im Zusammenhang mit einem Apfel? Klingt wie eine Fangfrage? Oder die Auswirkung von übermäßigem Apfelkonsum? Es ist vielmehr eine Anregung darüber nachzudenken, ob die Menschheit es schafft zu überleben. Denn der Apfel spielt dabei eine ernstzunehmende Nebenrolle.

„Normal“ heißt im Falle eines Apfels, dass er so beschaffen ist, wie ihn sich die Allgemeinheit vorstellt. Da die Allgemeinheit gerne im Supermarkt einkauft, formt genau dieser Ort ihre Meinung über den normalen Apfel. Und weil wir in der Europäischen Union leben, bestimmt nicht nur die Einkaufsabteilung des Supermarktes darüber, was die Allgemeinheit später denkt, sondern vor allem eine Norm. Der Norm nach muss ein Apfel, egal welcher Klasse und Sorte er angehört, ganz, gesund und sauber sein. Warum er nur „praktisch“ frei von sichtbaren Fremdstoffen und Schädlingen sein soll, kann sicherlich ein Beamter der EU näher erklären. Auf keinen Fall aber, darf ein Apfel glasig sein. Es sei denn, er gehört der Sorte Fuji oder einem ihrer Mutanten an. Anomale äußere Feuchtigkeit ist genauso wenig erwünscht wie fremde Gerüche oder Geschmäcke.

Äpfel haben es wirklich nicht leicht. Sie gehören neben Birnen, Erdbeeren, Kiwis, Pfirsichen Tafeltrauben, Zitrusfrüchten, Gemüsepaprika, Salaten und Tomaten zu den Obst- und Gemüsesorten für die EU-Normen gelten. Entspricht ein Apfel nicht der Norm, darf er zwar verkauft, muss aber besonders gekennzeichnet werden. „Dieser Apfel ist nicht normal.“ steht dann zwar nicht auf der Packung. Aber „zur Verarbeitung bestimmtes Erzeugnis“ klingt auch nicht gerade wie ein Kompliment. Karotte, Radieschen und andere Verwandte müssen keine gesetzlichen Auflagen erfüllen, doch auch sie stehen unter enormen Leistungsdruck. Viele große Handelsunternehmen haben nämlich eine genaue Vorstellung von der perfekten Form, Farbe und Größe. Diese Unternehmen sind auch die treibende Kraft hinter der sich global ausbreitenden Gleichmäßigkeit auf dem Obst- und Gemüsemarkt. Ist etwas einheitlich, lässt es sich schließlich wesentlich leichter kontrollieren und transportieren. Außerdem hat man die Kunden nun mal über Jahre hinweg dazu erzogen, jeder Zeit und überall makellose Ware zu erwarten. Die Allgemeinheit kann mit einer krummen Gurke nicht viel anfangen. Schon gar nicht, wenn diese Gurke mehr kostet als ihre perfekte Schwester.

Die Konsequenz: Häufig enden Außenseiter als Tierfutter oder verrotten einsam im Keller. Die Allgemeinheit hat leider vergessen, dass Karotten im Boden wachsen und das Licht der Welt verschmutzt und manchmal krumm, nicht wohlgeformt in einem sterilen Plastikbeutel, erblicken. Form und Farbe werden einem guten Geschmack vorgezogen. Doch im Stillen findet eine Rebellion statt. Minderheiten gründen Bewegungen wie Think.Eat.Save oder Slow Food und wollen die Allgemeinheit zum Umdenken bewegen. Das ist auch notwendig. Verschwendung ist nur eine Schattenseite gleichmäßiger Lebensmittel. Die Vereinten Nationen rufen ins Gedächtnis: Ohne biologische Vielfalt wird der Mensch nicht ewig existieren können, denn eine intakte biologische Vielfalt kann sich besser an sich verändernde Umweltbedingungen anpassen. Die Jahre 2011 bis 2020 wurden deshalb zur Dekade der biologischen Vielfalt ernannt.

Kleinere, regionale Unternehmen wie die Kelterei ELM, die auf Langfristigkeit, Transparenz und faire Preise setzen, tragen dazu bei, dass diese Vielfalt erhalten bleibt. Manche Supermarktketten haben die in Flaschen gefüllte Nachhaltigkeit bereits ins Sortiment aufgenommen. Bleibt zu hoffen, dass irgendwann auch ein lachendes Radieschen, eine bucklige Gurke und ein verrückter Apfel zum Standardprogramm gehören.

 

Liebe Supermarktketten, eine Marketingstrategie darf neben monetären Zielen auch solche enthalten, die nach dem Überleben der Menschheit streben. Bis die Allgemeinheit sich an die neuen Herausforderungen gewöhnt hat, vergehen sicherlich noch viele Jahre. Eine Umerziehung funktioniert nur in Phasen. Vielleicht wären eine Ecke für abartiges Gemüse und eine Kiste für lustiges Obst ein guter Anfang, solange Ihr die Meinung der Allgemeinheit in der Hand habt. Die Minderheit kauft ihr schmutziges Obst- und Gemüse längst auf dem Markt oder im Hofladen ein.

 

 

Nachtrag, 06. Juni 2013, 16:18 Uhr

Erdbeere in Herzform Gerade ist diese Erdbeere im elektronischen Briefkasten von no goldfish gelandet. Die Einsenderin (Kerstin Heck von ETHANIA) meint, sie sei der Beweis dafür, dass man im Leben sehr viel verpasst, wenn man sich auf perfektes Aussehen konzentriert. Als wollte die Erdbeere uns durch ihre Form darauf hinweisen, was im Leben wirklich zählt.

Alles hat einen Sinn im Leben. Auch eine unförmige Erdbeere.

 

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