Graffito eines Mannes, der einen Karren mit Paketen schiebt, darauf der Text: Vorsicht, zerbrechlich, Demokratie

Neutralität gefährdet Leben

„Wer angesichts ungerechter Zustände neutral bleibt, entscheidet sich für die Seite des Unterdrückers. Wenn ein Elefant seinen Fuß auf den Schwanz einer Maus stellt und Sie sagen, dass Sie neutral sind, wird die Maus Ihre Neutralität nicht zu schätzen wissen.“

Höchstwahrscheinlich ein Zitat von Desmond Tutu, eine Quelle lässt sich jedoch nicht eindeutig belegen, eigene Übersetzung

Dickhäutige Rüsseltiere müssen für viele Vergleiche herhalten

Der Begriff „There is an elephant in the room“ beschreibt im Englischen ein offensichtliches Problem, über das niemand sprechen will. In den Meetingräumen deutscher Unternehmen tummeln sich verschiedenste Elefanten. Altersdiskriminierung etwa. Silobildung. Oder die Gefährdung der Demokratie durch rechtsextreme Einflüsse. Der letztgenannte Elefant wächst täglich: 2024 gab es mehr rechtsextreme Straftaten in Deutschland als je zuvor. Im Vergleich zum Vorjahr stieg ihre Zahl um 48 Prozent auf 42.788.

Es gibt kein Unternehmen ohne Menschen

Unternehmen sind, genauso wie Demokratien, ohne Menschen nichts als theoretische Konstrukte. Wie Spiele, die keine:r spielt. Liegt eine Monopoly-Schachtel im Schrank, geht weder Opa Karl ins Gefängnis noch zahlt Tante Liselotte Miete für eine Immobilie am Opernplatz. Es ist wichtig, sich das in Erinnerung zu rufen, denn für Mitarbeitende, die tagein tagaus ein theoretisches Konstrukt zum Leben erwecken, bedeutet der Alltag in einer Demokratie Teilhabe, Freiheit und Sicherheit. Und selbst wenn Algorithmen in Organisationen inzwischen bestimmte Entscheidungen treffen dürfen, Verantwortung trägt stets eine Person oder eine Personengruppe.

Warum schweigen viele Führungskräfte zum Thema Demokratie?

Ignoranz, Ohnmacht, Inkompetenz. Für das Schweigen gibt es zahlreiche Gründe. Auf die Frage

„Würden Sie an einer Veranstaltung teilnehmen, bei der es um die Verantwortung von Unternehmen im Hinblick auf die Demokratie geht?“

antworten Vertreter:innen schweigender Organisationen zum Beispiel

„Aber wir müssen doch die Neutralität wahren.“

neutral
Ich mische mich nicht in Dinge ein.

Damit meinen sie häufig „Ich möchte Kund:innen nicht verprellen.“*

opportunistisch
Ich habe keine Prinzipien und passe mich an die jeweilige Lage an, um von ihr zu profitieren.

Unterstützen Unternehmensvertreter:innen aber Personen, die die Gültigkeit der Menschenrechte für sich selbst beanspruchen, sie anderen jedoch versagen, was dann? Krempeln diese Personen das Grundgesetz zu ihren Gunsten um und heben die Gewaltenteilung auf, was dann? Sehen Entscheider:innen dabei zu, wie geschätzte Kund:innen Hass und Hetze verbreiten, was dann? Dann müssen sie die Konsequenzen tragen.

Unternehmen tragen Verantwortung für die Vergangenheit und die Zukunft

„1933 und danach waren zu viele still, haben weggesehen und geschwiegen… Deutsche Unternehmen trugen dazu bei, die Herrschaft der Nationalsozialisten zu festigen. Auf ihren eigenen Vorteil bedacht, waren viele Unternehmen und ihre damaligen Akteure verstrickt…“

Zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus veröffentlichten 49 große deutsche Unternehmen einen Text, in dem sie sich zu ihrer Verantwortung im Dritten Reich bekennen. Unter anderem mit dabei: die Chefs von Bayer, Adidas, Rheinmetall, Mercedes-Benz, Siemens, Deutsche Telekom.

„Heute übernehmen wir als deutsche Unternehmen Verantwortung, die Erinnerung an die Verbrechen der NS-Zeit sichtbar zu machen. Denn diese Verbrechen mahnen uns, die Zerbrechlichkeit der Demokratie immer wieder zu erkennen. Gemeinsam treten wir ein gegen Hass, gegen Ausgrenzung und gegen Antisemitismus. Einen Schlussstrich darf und wird es mit uns nicht geben.“

Dieses Zeichen zeugt von dem Bewusstsein, dass unternehmerische Entscheidungen den Verlauf der Geschichte und damit unendlich viele Einzelschicksale beeinflussen. Wie lässt sich hingegen der vorauseilende Gehorsam derselben Unternehmen, etwa der Deutschen Telekom, in anderen Ländern, beispielsweise den USA, einordnen? T-Mobile US, ein Tochterunternehmen der Deutschen Telekom, streicht bereitwillig Diversitätsprogramme, damit einer lange geplanten Übernahme nichts im Wege steht.

Die Aussage zur Zerbrechlichkeit der Demokratie hier und die Verbeugung vor jenen, die eine Demokratie dort zerschlagen, liegen nur Wochen auseinander. An beiden Statements wurde gewiss parallel gearbeitet. Verschiedene Länder, verschiedene Werte?

Werte leben, heißt etwas zu unternehmen

Das Kommunizieren der eigenen Werte nach außen sendet klare Signale. Es erlaubt eine Einordnung und dient als Leitlinie für den Umgang mit Stakeholder:innen. Intern gilt es, diese Werte in alle Entscheidungen einfließen zu lassen. Herrscht in Unternehmen eine offene Diskussionskultur, ist direkte Beteiligung möglich, erleben Mitarbeitende Selbstwirksamkeit, Solidarität und Anerkennung, hilft das, die Demokratie wertzuschätzen und macht klar, warum es lohnt, sich für diese Form des Miteinanders einzusetzen.

Neutralität hingegen ist keine nachhaltige Option.

Unternehmen gegen Rechts

Wenn Sie gerne wüssten, welche Unternehmen Haltung zeigen oder welche kleinen und großen Schritte Organisationen umsetzen können, sprechen Sie mich an. Gemeinsam mit Sarah Steffen und Andreas Gnass habe ich die Initiative „Unternehmen gegen Rechts“ gegründet. Wir vermitteln den Kontakt zu Expert:innen, bieten Austausch und Perspektivwechsel, individuelle Beratung, vielfältige Unterstützung und fördern aktiv Vielfalt und Inklusion. Durch Kooperationen und Öffentlichkeitsarbeit stärken wir ein demokratisches Miteinander und ein gerechtes Wirtschaftsgefüge.

Debatte zur Demokratie

Die Financial Times publizierte 2024 eine Debatte mit filmischen Beiträgen von Margaret Atwood, Elif Shafak, Aditi Mittal, Lola Shoneyin. Sie bietet vielfältige Perspektiven und motiviert zu handeln.

Nie wieder. Ist jeden Tag aufs Neue.

*nicht repräsentative Erfahrung im Rahmen der Initiative „Unternehmen gegen Rechts“

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