Die Welt ist eine Scheibe – sagten viele Verfasser von Ursprungsmythen. Der eine oder andere verfiel diesem Glauben im Verlauf der menschlichen Geschichte, doch bereits im Altertum glaubte man, unser Planet sei wohl eher eine runde Sache und spätestens seit der Massenproduktion von Erdgloben ist vielen klar: Die Erde ist eine Kugel. („Kugel“ klingt nicht so fachmännisch wie das lateinische Wort „Globus“. Von wegen tote Sprache: Ist das nicht der schönste Beweis dafür, dass es ein Leben nach dem Tod gibt? Aber ob sich in tausend Jahren noch jemand an „Sale“, „Social Media“ oder „Tabloid“ erinnern wird?)
Seit etlichen Jahren umrunden wir unsere Kugel munter und schon lange bevor wir sie so nannten, gab es die Globalisierung. Mit Hilfe von Technik haben wir es endgültig geschafft, unser Leben auf eine nie gekannte Weise weltweit zu verflechten. In der Kommunikation, Kultur, Politik, Umwelt und Wirtschaft agieren wir grenzübergreifend, international, global.
Treibende Kraft der wirtschaftlichen Globalisierung sind internationale Unternehmen, von denen es heute etwa neun mal so viele gibt wie vor vierzig Jahren. Die „United Nations Conference on Trade and Development“ (UNCTAD) veröffentlicht regelmäßig lesenswertes Material für Freunde von Zahlen und Fakten, beispielsweise das „Transnational Corporations Journal“. Statistiken hin oder her. Die Globalisierung ist weder zu stoppen noch wird sie von heute auf morgen verschwinden. Und doch gibt es dabei Dinge, die wir uns wünschen, schnellstmöglich wegzuwedeln.
Mal offensichtlich, mal weniger plump, taucht das Corpus Delicti in einem Logo auf. AT&T, Total oder United Airlines nutzen es. Man findet den Gegenstand in digitaler und gedruckter Kommunikation. Powerpoint Folien, Twitter-Seiten und Broschüren sind infiziert.
Sein bester Freund ist das Foto, auf dem gut gekleidete Geschäftsleute zu sehen sind, die alle auf der Welt noch vorhandenen Völkergruppen repräsentieren, und dabei in unnatürlichen Posen ihre weißen Zähne zeigen. Sein Vetter ist der Satz „Global agieren, lokal Handeln.“ Eine Legende besagt, er belagere vor allem den Bereich Business to Business. Dort gibt es Orte, an denen Kreativität als Hokus Pokus verschrien wird und das Abweichen von Wegen, die ein obrigkeitshöriger Langweiler oder eingebildeter Fachfremder gepflastert hat, verboten ist.
In manchen Fällen dient er nur der Ablenkung, in anderen unterstützt er Größenwahnsinn. Er beweist, dass manche Bilder nicht Bände sprechen, sondern ein Schrei nach Hilfe sind. Er ist: Der Globus. Es gibt ihn als Foto oder Illustration. Er taucht in unendlich vielen Varianten auf und bleibt doch er selbst. Man gewinnt den Eindruck, dass der Gedanke des Weltumspannenden unmöglich anders zu vermitteln ist, als durch das Abbild eines Globus.
iStockphoto ist bestens gerüstet. Die Datenbank beinhaltet 34.226 Einträge zum Thema „Globus“ in der Kategorie „Fotos“ und „Grafiken“. Bei Getty Images sind es 13.971 „Creative-Bilder“, die auf das Schlagwort „Globus“ hören. Denkt wirklich irgendjemand, dass die Auswahl ausgerechnet dieses Motivs einzigartig ist? Nein. Zum einen denkt nicht jeder, zum anderen kann und möchte nicht jeder einzigartig sein. Viele internationale Unternehmen unterstellen ihren Kunden die gleiche Phantasielosigkeit, mit der sie selbst handeln. Und das auch noch auf globaler Ebene.
Ein Aufruf zum Boykott würde nicht allzu viel bringen. Doch wie wäre es mit einer stillen Minute, in der wir versuchen, das Heroische in uns zu finden? Den Teil, der weiß, dass jedes Unternehmen seine eigene Bildsprache braucht. Die Windung, die sich traut, „nein“ zu sagen, wenn ein Vorgesetzter vorschlägt, einen Globus zu verwenden. Schließlich hat ein neues Jahr angefangen und für gute Vorsätze ist es noch nicht zu spät.
Die Schwerkraft sorgt dafür, dass wir nicht einfach so von der Erde herunter fallen. Vielleicht bildet der Planet irgendwann einen Selbstschutzmechanismus, bei dem alle Plattitüden von einem schwarzen Loch eingesaugt werden. Dieser Mechanismus sollte auf jeden Fall einen lateinischen Namen bekommen.