Neuromarketing - Nackte Schaufensterpuppe als Symbol für 'Sex Sells'

Neuromarketing – „Sex sells“ im wissenschaftlichen Gewand?

Was bringt uns Neuromarketing? Wird hier bloß die wissenschaftliche Kalkulierbarkeit von Kreativität vorgegaukelt? Ist der Mensch und Verbraucher ohnehin nur ein Primat, der nicht mehr als primitive Schlüsselreize braucht?

Sex sells, das ist eine vielerprobte Wahrheit. Wer in der Kommunikation auf die grundlegenden Schlüsselreize setzt, liegt in der menschlichen Wahrnehmung schonmal ganz vorne. Zumindest vorerst.

Abgesehen von diesem unbestrittenen Joker im Wahrnehmungs-Ranking funktioniert unsere Aufmerksamkeit und vor allem unser Kaufverhalten äußerst differenziert. Neuromarketing schlüsselt dies auf und kann auf diese Weise vor allem eines bewirken: investitionssichere Kommunikation. Hat man nämlich einmal verstanden, wie die Zielgruppen ticken und warum der Kunde WIRKLICH kauft (was implizit ist und selten bis niemals in einer Kundenbefragung zum Vorschein kommt), lässt sich das Potenzial jeder Marke mit gezielten Kommunikationsmaßnahmen ausschöpfen.

Alles nur Geschwafel? Das nächste Sternchen am Marketing-Himmel?
Erwiesen ist, dass das menschliche Gehirn zu 95% unbewusst handelt und nur 5 % des Wahrgenommenen mit bewusstem Handeln beantwortet werden. Das bedeutet zwangsläufig, dass wir größtenteils auf Autopilot laufen. Unser Autopilot ist ein hocheffizientes System – er entscheidet, ob und wie wir Dinge wahrnehmen und wie wir darauf reagieren (sozusagen als großer Filter). Das tut er keinesfalls auf Basis von USPs, Argumenten oder gar Logik – er richtet sich nach den (emotionalen) Motiven und Bedürfnissen. Und zwar, bevor der Pilot involviert wird und seine Meinung dazu abgeben darf. (Zum Vergleich: Während der Pilot nur eine fokussierte Aufnahme-Kapazität von 40 Bits hat, weist der Autopilot stolze 11 Millionen Bits auf.)

Soweit, sogut. Was hat das nun mit Kommunikation und Markenführung zu tun?
Welche Motive und Bedürfnisse den Autopiloten eines Menschen steuern, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zunächst einmal haben Hormoncocktail und Neurotransmitter des Menschen Einfluss – diese sind zweifellos bei einer Frau mittleren Alters anders gelagert als bei einem Mann Anfang 20. Dazu summiert sich die kulturelle Prägung, die sogenannten Imprints. (Beispiel für einen Imprint: Was ungesund ist, ist lecker. Dies ist der Grund dafür, dass sich Light-Produkte bei McDonalds nicht durchsetzen.)

Unser Autopilot entschlüsselt permanent auf Basis dieser Leitplanken die Bedeutung des Wahrgenommenen, während er unsere Umwelt scannt. Entdeckt er etwas, das unserem Motivsystem als wichtig erscheint, empfindet er dies als Belohnung. Der Belohnung wird nun die volle Aufmerksamkeit zuteil – im Bruchteil einer Sekunde entscheiden wir: „Will ich haben“ oder „Will ich nicht haben“. (Nach demselben Prinzip funktioniert auch Liebe auf den ersten Blick.)
Fazit: Belohnung ist es nur dann, wenn es zum Motivfeld des Betrachters passt. Ist das der Fall, erleben wir dies als positives Gefühl. Dabei kann zum Beispiel ein Alltags-Produkt, das eigentlich keine belohnenden Eigenschaften besitzt, durch seine Marke und Designsprache in einen anderen emotionalen Kontext gesetzt werden. Das Ergebnis: Der Autopilot nimmt dieses Produkt als Belohnung wahr, weil er die Marke bzw. die Aufmachung als Belohnung einstuft.

 

Neuromarketing - Was soll das?

Ein Beispiel gefällig? Auf der Neurolandkarte sehen wir ein alltägliches Produkt aus dem Supermarkt: H-Milch. Prinzipiell immer das Gleiche, will man meinen. Aber weit gefehlt – hier wird über die Marke gesteuert, wer zugreift und sich zum Kauf entscheidet. (Aus Markenrechtsgründen habe ich auf die Nennung der Marken verzichtet – ich hoffe aber, dass trotzdem erkennbar ist, um welche bekannten Produkte es sich handelt.) Während die Kunststoff-Milchflasche oben eher die Spaßsucher und jüngeren Semester anspricht, zielt der schlanke Milchkarton unten rechts auf Tradition und Herkunft ab, was einem rationalen und sicherheitssuchenden Publikum als Belohnung erscheint. Die klassische Milchflasche unten links setzt auf Balance und Geborgenheit – sehr feminine Aspekte. Also: die Marke bildet einen impliziten Rahmen, der dem Produkt eine neue emotionale Bedeutung geben kann. Die emotionale Bedeutung steuert die Kaufentscheidung, ohne dass der Pilot, das bewusste Denken, hinzugezogen wird.

»Der Mensch ist es nicht gewohnt, scharf nachzudenken«, lautet eine Essenz von Nobelpreisträger Daniel Kahneman. »Oft lässt sich der Mensch von seinem Unterbewusstsein und seiner Intuition leiten. Ohne dieses „System 1“, das schnell, unbewusst und oft emotionsgesteuert Entscheidungen herbeiführt, könnten wir gar nicht überleben.«

Ein Umstand der großen Einfluss auf den Erfolg von Marken, Werbung und allgemein jeglicher Kommunikation hat. Diplom-Psychologe Dirk Held formulierte die Fragen, die sich Unternehmer, Marketingfachleute und Kreative stellen müssen: „Was ist die implizite Belohnung meiner Marke für meinen Kunden? Welche Belohnung transportieren meine Werbemittel?“

Wer dies beantworten kann, ist der Kalkulierbarkeit von Kreativität schon ein großes Stück näher gekommen. Und kann seine Zielgruppen durch präzisen Einsatz von Emotion und Belohnung zum Kauf führen – ganz ohne die Abbildung von primitiven Schlüsselreizen.

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