eschlechtsspezifische Werbung des VDO aus dem Jahre 1963

Die geschickten Hände einer Frau im Wandel der Zeit

Schwere Männerstiefel stehen still in der Ecke eines modrigen Kellers. Einst gehörten sie einem jungen Fluglehrer. Hinterlassen hat sie ein traumatisierter Großvater, der seine Mitmenschen häufig im Schatten einer dunklen Gasse sah. Selten hatten sie dort Gutes vor.

Etwas Vergilbtes steckt in den Stiefeln. Auf dem Tisch ausgebreitet, zaubern die dünnen Seiten der „Frankfurter Rundschau“ ein Stück Vergangenheit hervor. 1963. Schon damals waren die Schuhe zwanzig Jahre lang nicht genutzt worden. Aber sie waren ja noch gut. Niemand hätte sich getraut das zu bestreiten. Wozu auch? Das hätte nichts gebracht. Und heute liegt die Zeitung auf dem Tisch und wirft in eine andere Zeit zurück.

Vollfruchtige Zitronen werden angepriesen. Bei Kaffee zählt gute Qualität zum günstigen Preis. Anker-Kongo-Pillen wirken ohne Beschwerden: Sie regeln den Stuhl, entschlacken den Körper und vermindern das Gewicht. Was erstaunt und doch nicht überrascht, ist die Kommunikation mit und über Frauen: Die Industrie fertigt Fingerhüte in 30 verschiedenen Sorten und zwölf Größen an, da die Wünsche der „fleißigen Hausfrauen“ in diesem Bereich vielfältig seien. Eine Stellenanzeige verspricht: „Die geschickten Hände einer Frau eignen sich besonders gut zum Zusammenbau unserer Kleingeräte. Auch wenn Sie noch nicht in einem Betrieb gearbeitet haben, werden Sie sich unter Anleitung erfahrener Mitarbeiter bald eingewöhnen und einen guten Verdienst erreichen.“

1963. Ein Jahr, in dem das ZDF seinen Sendebetrieb aufnimmt. Kennedy wird ermordet. Gastarbeiter kommen, um zu bleiben. Kohle, Öl und Atom sind die Säulen der Energieversorgung. Zwischen Ost und West gibt es eine Mauer, die viele Jahre eisiger Kälte verspricht. In den deutschen Medien heißt Marketing noch Absatzwirtschaft und bezieht sich zumeist auf Werbung. (Diese Definition hat sich in den Köpfen mancher Entscheider bis heute festgesetzt.) In den USA ist Pan Am keine traurige Geschichte sondern eine Marke, die eine aufregende Zukunft verspricht. Emma ist ein gewöhnlicher Name ohne Assoziationen. Es ist eine Zeit irgendwo zwischen der ersten und zweiten Welle der Frauenbewegung. Im Wandel der Zeit gibt es eine Konstante: Die Rolle der Frau ist nicht überall auf der Welt gleich. Während in der Sowjetunion die erste Frau den Weltraum erobert, dürfen in Deutschland Frauen, die beim Wiederaufbau einen großen Beitrag geleistet haben, wieder an den Herd zurück.

Fast zwei Jahrzehnte später belegt das Statistische Bundesamt, dass man Frauen immer noch gerne zu Hause sieht: Im Jahr 1982 waren 52 % der Westdeutschen der Ansicht, dass es für eine Frau wichtiger sei, ihrem Mann bei seiner Karriere zu helfen, als selbst Karriere zu machen. 2004 wird diese Einstellung nur noch von ca. 24 % der Befragten geteilt, im Osten Deutschlands beträgt der Anteil 13 %.

Beim Werben um Mitarbeiter darf man heute keinen Unterschied mehr machen. Zumindest dem Gesetz nach, sind Männer und Frauen beruflich gleichgestellt. Dennoch werden Frauenquoten heftig und häufig diskutiert.

Im Marketing sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern seit langem ein beliebtes Instrument. Sie können Produktdiversifikation anregen, z.B. Coke Zero (Mann) versus Coke Light (Frau). Versicherungen und Frisöre betreiben eine geschlechterspezifische Preispolitik. In der Unternehmenskommunikation mit potentiellen Kunden ist Gender-Marketing allgegenwärtig. Doch das Geschlecht ist längst nicht mehr das einzige Kriterium, das eine Zielgruppe ausmacht. Die Zeit hat Möglichkeiten geschaffen. Möglichkeiten schaffen eine fragmentierte Gesellschaft. Und irgendwann wird die Kundenansprache so personalisiert sein wie in „Minority Report“. Vorausgesetzt der Kunde lässt es zu.

Junge Frauenhände schließen eine mit vielen Farbschichten überzogene Kellertür. Die Stiefel wandern auf den Sperrmüll. Draußen wartet eine neue alte Welt.

Die Anzeige wurde ’no goldfish‘ freundlicherweise von der Continental AG zur Verfügung gestellt. VDO gehört heute zum Continental Konzern.

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