Mobiltelefon mit Tasten als Symbol für die unsäglichen Erfahrungen mit einem Online Service Center

Wie kann ich Sie verwirren?

„Ich habe ein bestimmtes Anliegen. Ich kann allerdings nicht darüber reden. Ich leide nämlich an Decidophobie. Das ist übersteigerte Angst vor Entscheidungen. Folgende Ansagen versetzen mich in eine plötzliche Starre:

‚Möchten Sie eine Zugreise buchen, wählen Sie bitte die Eins. Möchten Sie einen Flug buchen, wählen Sie bitte die Zwei. Möchten Sie eine Reise mit dem Space Shuttle buchen, wählen Sie bitte die Drei. Möchten Sie den Erfinder der mechanischen Telefonansage auf den Mond schießen, wählen Sie bitte die Vier.’ 

Mir wird außerdem schwindelig wenn ich stundenlang in einer Warteschlange verbringen muss, begleitet von Phil Collins oder Fahrstuhlmusik und wiederholten Zusicherungen, dass ein freier Mitarbeiter mir sehr bald zur Verfügung stehen wird, um mich zu erlösen, falls ich bis dahin noch dran bin und nicht längst das Land verlassen habe, um auf einer einsamen Insel auszusteigen. Also anrufen geht wirklich nicht. Aber Schreiben. Das fällt mir leichter. Ich schreibe eine E-Mail.“

Online ist im Jahre 2011 ein durchaus üblicher Kommunikationskanal für Unternehmen. Online Service Center sind eine Anlaufstelle für Interessierte, Bedürftige, Zerstreute und Suchende. Doch bis er in einem solchen Center landet, muss der Kunde einige Hürden überspringen.

Ein möglicher Startpunkt für den Suchenden: Die Website eines Unternehmens. Ja, Websites gibt es noch. Sie sind, genauso wie die in Zukunftsprognosen vom Aussterben bedrohten Personal Computer oder handgeschriebenen Zettel, noch nicht tot.

Ist eine Website vorbildlich gestaltet, wird der Suchende häufig fündig und eine direkte Kontaktaufnahme erübrigt sich. (Es lohnt sich also, in eine gute Website zu investieren. Ein roter Faden zieht sich durch das Marketing: Alles ist miteinander verbunden. Ein Mannschaftssport, wenn Sie so wollen.) Ist der Kunde nicht der einzige, der vor einem vermeintlichen Problem steht, helfen Antworten auf die „Am meisten gestellten Fragen“ (FAQs). Doch manchmal sind die individuellen Herausforderungen solch absurder Natur, dass der Kunde einen Dialog beginnen muss. Schön, wenn er dann, an einer prominenten Stelle, eine Möglichkeit findet, genau das zu tun. Leider landet man als Suchender nicht selten in einem Labyrinth. Bei Adventure-Spielen sicherlich aufregend, ansonsten wird von der Umsetzung einer solchen Idee abgeraten.

Hat man das Ziel (=Kontaktmöglichkeit) gefunden, merkt man: Viele Websites nutzen Kontaktformulare. Diese können eine Vorauswahl von Themen anbieten. Das ist liebenswürdig und scheint entgegenkommend. Und natürlich versuchen Unternehmen nur, die E-Mail schnell an den kompetenten Mitarbeiter weiterzuleiten. Aber wenn die Auswahl sich auf drei Themen beschränkt, die nicht alle Möglichkeiten abdecken und dann auch noch keine sonstige Option zur Verfügung steht: Was macht der Schreibende dann? Dabei zusehen wie drei Haare von Sekunde zu Sekunde grau werden, die am wenigsten geeignete Option wählen und hoffen.

Ist die Nachricht erst einmal ins Weltall befördert worden (oder wo landen die Daten, die über das Internet verschickt werden?), freut sich der Kunde über eine Empfangsbestätigung. Schließlich gibt er ja schriftlich kein Widerwort, zumindest nicht sofort. Da wäre eine kleine Belohnung doch nicht zu viel verlangt? „Vielen Dank für Ihre E-Mail. Wir gedenken nicht, Ihnen jemals zu antworten.“ oder  „Wir werden uns Zeit lassen bis irgend ein freier Mitarbeiter sich Ihrer absurden Frage widmen kann.“ oder, ganz wagemutig, „Wir werden Ihnen innerhalb von 24 Stunden Antworten.“ Aber versprechen Sie bitte nichts, was sie nicht halten können. Sie wollen keine falschen Hoffnungen wecken. Denn was ist schlimmer als enttäuscht zu werden?

Endlich kommen wir zum Hauptteil. Die Nachricht fällt aus dem All in die digitale Mailbox eines Unternehmens. Und dann? Gibt es Unternehmen, die kompetent und schnell reagieren. Der Kunde ist zufrieden und alles ist gut. Es gibt aber auch welche, die sich verzetteln.

Eine asiatische Fluglinie lässt zwölf Tage verstreichen, bis sie zusagt, die gestellte Frage an die zuständige Stelle weiterzuleiten. Weitere drei Tage vergehen, bis die Antwort beim Kunden ankommt. Der ist längst abgeflogen, nachdem er seine Frage telefonisch, mit Hilfe von Phil Collins und zwanzig irrelevanten Werbeaussagen, geklärt hatte.

Ein Business to Business to Business Unternehmen beginnt seine E-Mail mit den Worten: „Sehr geehrte Damen und Herren“. Wieso, wenn jemand freiwillig seinen Namen nennt, und das in Zeiten des Datenschutzes, benutzen sie ihn nicht?

Ein Unternehmen, das Notebooks verkauft, erklärt das nicht zufriedenstellend funktionierende Touch-Pad mit den Worten: „…Bezogen auf Ihre Anfrage teilen wir Ihnen gerne mit dass , Sie normalerweise das Scrollverhalten unter Systemsteuerung und dann Maus beeinflussen. Ist es auch der Fall im Windows Explorer oder anderen Anwendungen mit dem Holbrigen Bildlauf. Es könnte aber auch an den Internetseiten selber liegen das manche Seiten Flackern oder Ruckeln beim Bildlauf je nachdem wie diese Programmiert wurden…“ Frage kompetent beantwortet. Aber ist das die Neuauflage der neuen deutschen Rechtschreibung?

Auf die Frage hin, was das Abheben von Bargeld mit einer Visa Karte an einem beliebigen Automaten im Ausland koste, antwortet eine deutsche Bank: „…Diese Gebühr können Sie aber verhindern, wenn Sie ein Girokonto bei uns abschließen. Einen entsprechenden Antrag haben wir Ihnen unverbindlich mit separater Post zugesandt.“, vergisst aber zu erwähnen, dass diese Kondition nur für Länder gilt, in denen der Euro die Währung der Wahl ist. Cross-Selling ist eine wünschenswerte Strategie. Aber ist Irreführung wirklich das angemessene Mittel?

Es gibt Unternehmen, die glauben, es sei egal, wie sie die E-Mails ihrer Kunden beantworten. Während sie Tausende von Euro für E-Mail Marketing, Social Media und Events ausgeben, bewerfen dieselben Unternehmen ihre Kunden von einer anderen Seite mit einem Haufen Mist. Wahrscheinlich handelt es sich um unterschiedliche Abteilungen, die in verschiedenen Stockwerken sitzen.

Online Service Center gehören zu einer komplexen Idee: Customer Relationship Management. Und vielleicht gehören Kunden mit Decidophobie zu den C-Kunden, die weder eine Empfangsbestätigung verdienen, noch, dass man sie mit Namen anspricht oder ihnen eine kompetente Auskunft erteilt. Vielleicht wird aber auch am falschen Ende gespart? Kurzsichtiges Sparen rächt sich langfristig. Die Racheakte können unterschiedlich ausfallen. Die digitale Welt bietet nicht nur dem Unternehmen, sondern vor allem dem Kunden, ungeahnte Möglichkeiten.

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