Äpfel als Symbol für das Bilden einer Marke

Geschichte kann man nicht kaufen, einen Apfel schon

Die neue schwarze Jacke hängt stumm über der Stuhllehne. Sie sieht nicht nur toll aus, sie verleiht dem Träger die Aura eines Pop-Stars, ein wenig verrucht, unbedingt „independent“. Zeit endlich das Preisschild loszuwerden. Es erinnert einen sowieso nur daran, dass echte Werte nicht in Zahlen gemessen werden können. Nur ein kleiner Schnitt, das Schild gleitet den Ärmel entlang auf den Tisch, da fängt die Jacke plötzlich an zu sprechen. Die Botschaft, die sie dringend, aber nicht aufdringlich, durch einen Aufdruck vermitteln möchte: „History is made and never bought.“

Ein Computer, dessen Familienwappen einen Apfel trägt, kaum größer als ein DINA4 Blatt, liegt auf dem Tisch und glitzert in der Nachmittagssonne. Er weiß, die Jacke hat Recht. Auch er war nicht von Anfang an ein Objekt der Begierde. Ihm ist klar: Er wird nicht wegen der vielen Vitamine gekauft, die der Käufer mit Obst assoziiert. Der Weg von einem Haufen Plastik, der noch mehr Technik einschließt, hin zu einem angebeteten flachen Stück Aluminium war lange, holprig und komplex.

Menschen mögen komplexe Dinge nicht so gerne. Das gilt für das Lesen einer schlechten Bedienungsanleitung genauso wie für das Führen eines Markenunternehmens. Aber die Bemühung, Komplexität nicht ins Chaos zu verwandeln, zahlt sich aus. Vor allem in letzterem Fall. Das beweisen die Unternehmen, die kürzlich von Interbrand zu den „Best Global Brands 2011“ gekürt wurden. Die Sieger könnten unterschiedlicher nicht sein. Und doch haben sie etwas gemeinsam: Sie glauben an den Wert einer Marke.

Marken sind besondere Kennzeichnungen. Sie verleihen Identität, geben ein Versprechen ab. Dienstleistungen, Produkte, Unternehmen oder Personen sollen sich von anderen ihrer Art abheben. Was oft in Vergessenheit gerät: Jede Berührung, die der Kunde mit der Marke hat, beeinflusst, wie jemand sie wahrnimmt. Dazu gehören nicht nur Produktverpackung, Hilfe bei Problemen oder die Art von Kundenservice, die man im eigenen Laden erbringt, sondern übrigens auch Bedienungsanleitungen: Schlechte Bedienungsanleitungen werden meistens von Menschen verfasst, die sich nicht die Mühe machen, komplexe Abläufe verständlich zu machen. Das wiederum ist eine Herausforderung an sich. Es lohnt sich ihr zu stellen. Schon ABBA wussten: Die scheinbar einfachsten Dinge sind in Wahrheit die kompliziertesten. Wo das hin geführt hat – ist Geschichte.

Manche Attribute einer Marke kann man gesetzlich schützen lassen. (Das Bundesministerium der Justiz stellt den Wortlaut des Markengesetzes online zur Verfügung.) Vielleicht reduzieren deshalb so viele vermeintliche Experten eine Marke auf ein Logo? Bildzeichen oder Formen sind greifbar. Einen Ton kann man eindeutig bestimmen. Aber Begeisterung kann man nicht markenrechtlich schützen. Auch Gefühle, die eine Marke auslöst, sind schwer einzufangen. Sicher: Ohne ein überzeugendes Produkt nützen alle Anstrengungen nichts, zumindest nicht langfristig. Eine Marke aufzubauen ist eben ein langfristiger Prozess, bei dem man versucht, eine Bindung zu schaffen.

Einige „Brands“ sind wie Partner und nehmen viel Platz im Leben ein. Andere sind wie gute Freunde, die man selten sieht, aber denen man nicht mit weniger Begeisterung immer wieder begegnet. In solchen Beziehungen verzeiht man leichter (auch wenn man mal die Rezeptur des Hauptproduktes ändert und damit Empörung auslöst), ist bereit Dinge von sich preiszugeben (Daten, Daten, Daten – das Hauptnahrungsmittel der Marktforscher) und Zeit zu investieren (um Feedback zu geben, bei Workshops teilzunehmen oder für ein Produkt aktiv zu werben, einfach so, weil man es liebt). Wie jede gute Beziehung setzt Markenbildung Kontinuität und Einsatzbereitschaft voraus. Je breiter man das Beziehungsnetzwerk streuen möchte, desto aufwendiger der Prozess, bei dem man versucht, auf die unterschiedlichen Facetten des Gegenübers einzugehen. Was im bayerischen Undorf funktioniert, muss der Kunde im amerikanischen Poughkeepsie nicht mögen.

Die Welt dreht sich bekanntlich, wenn auch nicht buchstäblich, immer schneller. Ständig ändern sich die Umstände und Spielregeln. Was gestern noch Stein der Weisen war, ist heute Makulatur. Nur wer agil bleibt, darf ins nächste Bewusstseins-Level der Kunden hinein. Und doch gibt es eine Konstante: Im Kern muss man sich treu bleiben. Denn schließlich wählen Kunden eine Marke aus, weil sie etwas in ihr als zu ihnen gehörig identifizieren. Es gibt unterschiedliche Gründe für die emotionale Bindung zu einer Marke. Erinnerungen. Ausdruck von etwas, das man gerne wäre. Vertrauen. Reduzierung eines Risikos. Garantie. Eine Marke erlaubt, etwas zu verkaufen, was nicht physisch ist. Freiheit, Prestige, Anerkennung, Genuss, Sicherheit. Sie weckt Faszination. Wird zur Religion. Alles ist möglich. Vorausgesetzt man erkennt den holistischen Ansatz und vergisst nicht, dass ohne Mitarbeiter, die überzeugt sind, wirklich nichts läuft. Nicht Wiederkäuen von Powerpoint-Floskeln, das Leben der Markenwerte macht den Unterschied aus. (Obst fault oft von innen heraus.)

Echte Werte mögen subjektiv sein, und ein objektiver Markenwert ist schwierig zu ermitteln. Erst die Kombination aller Kennzahlen kann tatsächlich Aufschluss über Erfolg und Misserfolg geben. Doch lässt der Kunde sich beim Kauf eines Markenartikels durch eine andere Kennzahl beeinflussen als die Marke?

 

Die schwarze Jacke* hängt lässig über der Schulter. Damit wir etwas kaufen können, was für uns ein Stück Geschichte darstellt, muss Geschichte erst einmal geschrieben werden.

 

*Die schwarze Jacke und der Spruch „History is made and never bought“ sind von Ben Sherman.

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