Ganz viele Figuren als Symbol für eine Menschenmenge

Massen: Bewegung

Vor langer, langer Zeit, als „i“ einfach nur ein Buchstabe war und kein Lebensgefühl, gab es Unternehmen, die ihre eigenen Ideen in Produkte umgesetzt haben. Mit diesen, ihrer Meinung nach, findigen Produkten, versuchten sie möglichst viele Menschen glücklich zu machen. Wer oder was diese glückliche Menge ausmachte, spielte keine allzu große Rolle. Die einzelnen Teilchen der Masse waren in aller Welt verstreut und einander fern. Wenn die Menschen über ein Produkt sprachen, dann taten sie das in kleinen Kreisen. Dass es in anderen Teilen der Welt womöglich bessere Produkte einer Art gab, ahnten sie zwar, doch der Gedanke daran war zumeist kurzlebig.

Irgendwann schlich, Jahr für Jahr, Jahrzehnt für Jahrzehnt, etwas in unser Leben, das es für immer verändern sollte. Zunächst langsam, dann irgendwann immer schneller, bis man sich kaum noch drehen konnte, ohne die Konsequenzen zu spüren. Der ständige Wandel – nur noch ein Zeitraffer. Das Erlebnis – wie ein Konzert von Florence and the Machine. Gerade noch befindet man sich im Rausch einer mit außerirdischer Energie geladenen Musik, schon steht man alleine auf den rau verklärten Straßen Berlins, in einer ernüchternden Kältewelle, die vom Fluss herauf ans Ufer schwappt. Diesen einschneidenden Veränderungsprozess haben Handwerkzeuge ausgelöst. Dann kamen Dampfmaschinen, Elektrizität und das Internet. Morgen wird Technologie den Borg-Kubus zur Realität machen.

Noch befinden wir uns als Masse im Umbruch. Nicht jeder läuft herum wie ein Android, der das Touchscreen eines mobilen Gerätes zu seinem zweiten Gesicht gemacht hat. Doch diejenigen, die nicht damit aufgewachsen sind, dass Florence bloggt, twittert und eine Flotique hat, werden allmählich zu einer Minderheit. Irgendwann sind diese Menschen, wie Mammuts, Der Denver Clan und Raider, Vergangenheit. Wie alles im Leben hat diese Evolution eine gute und eine weniger gute Seite. Für die Masse bedeutet das Ganze ein noch nie da gewesenes Beziehungsgeflecht. Plötzlich können verstreute Einheiten sich unterhalten, die Kreise werden weiter gezogen. Und so stürzen sie Diktatoren, bringen Enzyklopädien zu Fall, finanzieren Projekte.

Ein Netz ist entstanden und dieses Netz hat die meisten Unternehmen eingefangen. Manche tun sich schwer damit, verhaken sich in den Fäden. Andere haben die Zeichen der Zeit erkannt und kooperieren mit der Masse, die das Netz zu ihren Gunsten bewegt. Die Hintergründe der Kollaboration unterscheiden sich kaum von den Zielen, die ein Unternehmen vor der Technologie-Revolution hatte: Kunden binden, mehr Produkte verkaufen, mehr Gewinn machen. Nur funktioniert der Verkauf heute ganz anders. Und die Ideen, die früher aus dem Unternehmen heraus kamen, werden eben teilweise von der Masse geliefert. Marktforschung und Produktentwicklung werden verlagert und potentielle Kunden dazu motiviert, Teil einer Erfolgsgeschichte zu werden.

Nicht jedes Unternehmen kann es sich leisten, eine Masse selbst zu mobilisieren. Das haben schlaue Menschen erkannt und entsprechende Plattformen gebildet. Die Betreiber sind Mittler zwischen den Welten. Auf der einen Seite ein Haufen Ameisen, die die Welt verändern wollen, auf der anderen, Unternehmen, die Outsourcing der neuen Generation betreiben. Die Plattformen stellen Infrastruktur zur Verfügung und aktivieren das kollektive Gehirn. Bei unserAller, artizo oder Crowdtap werden Unternehmen fündig. Solche Foren fungieren übrigens nicht nur als Marktforschungsmechanismus, sondern auch als Absatzkanal. Unternehmen, die groß genug sind, um selbst die Masse anzusprechen, haben direkten Zugriff und steuern die Prozesse. Procter & Gamble oder Tchibo tun das erfolgreich.

Die Entlohnung der Masse ist selten ein großer Geldbetrag für jeden einzelnen. Vielmehr zählt der Gedanke, man sei dabei gewesen und hat etwas bewegt. Das geistige Eigentum sichern sich auch meistens die Unternehmen. Die Masse verlangt dafür Respekt. Fordert man sie zum Handeln auf, dann möchte sie gehört werden. Wenn Unternehmen also Marktforschung als Alibi betreiben (über die Phänomene der Marktforschung hatten wir uns bereits unterhalten), dann sollten sie von dieser Art Informationen zu sammeln absehen. Auch hoch im Kurs: Transparenz. Die Masse kann ganz schön ruppig mit einem umgehen, der sie hinters Licht führt. Vor Risiken und Nebenwirkungen dieser Massenbewegung, die natürlich auch schon einen englischen Begriff für sich in Anspruch nimmt (Crowdsourcing), sei also gewarnt. Das Wort „Shitstorm“ klingt nicht nur unangenehm, der im Netz ausgelöste Sturm von Beiträgen entwickelt eine bösartige Dynamik, die den Ruf eines Unternehmens langfristig schädigen kann.

Massen haben ihre eigene Schwarmintelligenz und auf die Geister, die man rief, muss man vorbereitet sein. Bei Tieren hat sich Schwarmintelligenz bewährt. Der Mensch hat hingegen häufig genug bewiesen, dass er in Schwärmen dazu neigt, Unsinniges anzustellen.

Massenprodukte waren gestern. Morgen werden Massen Produkte bestimmen. Heute befinden wir uns im Umbruch. Crowdsourcing ist bei dieser Entwicklung nicht mehr wegzudenken. Ein Heilbringer, der integrierte Ansätze und komplexe Abläufe ablöst, ist es nicht.

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