Wüstenlandschaft als Symbol für die mangelhafte Kommunikation unter Marketern

Konstruktive Wortgefechte gibt es woanders

Studentischer Mitarbeiter, Junior Online Marketing Manager, Spezialist Programmkommunikation, Brand Manager, Market Analyst, CRM Spezialist, Referent des Konzernbetriebsrates… Man könnte noch lange so weiter machen, wollte man all die Marketing-Rollen aufzählen, die es in deutschen Unternehmen gibt. Alleine über die Jobbörse „Stepstone“ werden derzeit mehr als zweitausend passende Kandidaten gesucht. Wesentlich mehr Marketing-Menschen sitzen bereits fest in ihrem ergonomischen Drehstuhl. Dort prasseln täglich hunderte von E-Mails auf sie ein, wie Tetris-Bausteine. Wenn man nicht schnell genug reagiert, verkünden sie „game over“ und setzen den elektronischen Nachrichtenfluss außer Gefecht. Einige Marketer fliegen an exotische Orte am anderen Ende der Welt. Manche besuchen Veranstaltungen, bei denen ein Theoretiker versucht, ihnen die Praxis näher zu bringen. Andere sind dazu verdammt, für immer aus dem Fenster zu schauen, mit der Aussicht auf eine Einöde – in einem Gebäude, das kaum Kosten verursacht.

Arbeitsbedingungen und Tagesablauf dieser Fachleute sind so unterschiedlich wie die Ausgestaltung ihrer fantasievollen Titel. Aber es gibt auch Gemeinsamkeiten. Viele Marketer sind daran interessiert, Entwicklungen in der Marketing-Welt zu verfolgen und Dialoge unter Gleichgesinnten zu führen. Aber wo passiert das Ganze?

Vielleicht in einem besonderen Club. Zum Beispiel in einem der vierundsechzig Marketingclubs des Deutschen Marketingverbandes. Der versammelt nach seinen eigenen Angaben mehr als vierzehntausend Führungskräfte und Unternehmen. Er ist, wieder nach eigenen Angaben, die erste Adresse für alle, die sich fundiert und aktuell mit den Entwicklungen der Marketing-Welt auseinander setzen möchten. Seine Mitglieder sind führend, leitend oder lehrend tätig. Eine exklusive und belesene Gesellschaft also. Aber Clubs, das ist doch irgendwie von gestern. Was ist mit all denjenigen, die keine Führungsrolle haben? Wo bleiben jene, deren Unternehmen kein Geld für eine Clubmitgliedschaft hat?

Wie sieht es mit Zeitschriften und ihrer Online-Präsenz aus, oder themenspezifischen Blogs? Bieten die keine Chance, auf dem Laufenden zu bleiben und sich auszutauschen? Wirtschaft, Brancheninformationen, generelle oder spezifische Marketingthemen. Eine gewisse Bandbreite ist vorhanden. Doch das ist scheinbar kein ausreichender Grund. Denn das unausgesprochene Motto der Marketer heißt im Internet: konsumiere und schweige.

Der Harvard Business Manager hat mehr als zwanzigtausend Leser und seine Blog-Einträge zum Thema Marketing (oder zu irgendeinem anderen Thema) kommen gerade einmal auf bis zu vier Kommentare pro Artikel. Die klügste Wirtschaftszeitschrift Deutschlands, brandeins, führt gar keinen Blog. Vielleicht weil sie nur zu gut weiß, dass kaum jemand sich an einer Diskussion beteiligen würde. Die einzig umfassende Zeitschrift zum Thema Marketing, Absatzwirtschaft, publiziert interessante Blog-Artikel. Aber Kommentare kann man an dieser Stelle mit einer Lupe suchen und fürchtet, ein Mikroskop würde auch nicht weiter helfen. acquisa Leser schweigen online. Horizont erweitert selbigen mit Nachrichten zum Thema Kommunikation, doch angeregte Diskussionen fördert das Ganze nicht. Noch nicht einmal lahme Witze. Nichts. Der redaktionell verbundene Blog „Off the record“ wurde im Februar 2013 dann auch eingestellt. Werben und Verkaufen, die „Bunte“ der Werbetreibenden und im Volksmund W&V genannt, schafft es mit Themen wie „Neue Dove-Aktion: Zeichner zeigt Frauen ihre Schönheit “ immerhin auf einen Kommentar. Spezifische Blogs wie bjoerntantau.com regen zum Glück wenigstens ein paar Konversationen an.

Wieso schweigt die deutsche Marketing-Welt online? Leiden wir an einer geografisch bedingten Zurückhaltung? Wollen wir dem Klischee des disziplinierten, unterkühlten, verschlossenen Deutschen entsprechen, der lieber auf eine einzige perfekte Lösung hinsteuert, als zehn verrückte Ideen auszuprobieren? Sagen wir lieber nichts, weil wir das Risiko scheuen, uns zu blamieren? Vielleicht ist letzteres der Grund dafür, dass spezifische Blogs mehr Interaktion erfahren? Vielleicht sucht man sich gerne eine Ecke, versteckt sich dort und schweigt ansonsten? Leben wir möglicherweise in einer Marketing-Gesellschaft, die nichts zu sagen hat? Oder liegt es schlicht an dem Thema „Online“, das für die meisten immer noch ein häufig wiederholtes Fremdwort ist? Denn auch beim Thema Customer Relationship Management in Sozialen Netzwerken sind wir noch nicht soweit, in einen Dialog zu treten.

Ich weiß es nicht. Widmen wir uns doch alle lieber anderen Themen. Lesen wir „Lecker“ (sichert das Überleben, wenn man keine Köchin hat),  „National Geographic“ (erweitert längst verdrängte Erdkunde-Kenntnisse) oder den „New Yorker“ (lässt einen Großstadtluft schnuppern) und schweigen dann.

Und doch. Wortgefechte unter Gleichgesinnten sind in einer Zeit, in der auch Unternehmen ohne Kollaboration nicht auskommen, wichtig. Diese Kommunikation muss doch nicht nur hinter verschlossenen Türen oder in teuren Clubs stattfinden. Finden Sie nicht? Aber Sie müssen wirklich nichts dazu sagen. Diskutieren Sie lieber auf englischsprachigen Marketing-Seiten, wo keiner Sie kennt. Verschwinden Sie hinter Pseudonymen wie „MrManiac“ bei Twitter und kommentieren das Thema #Welpen oder #Schmusedecke was das Zeug hält. Aber beschweren Sie sich bitte nicht, dass dieses Land bisher weder einen Philip Kotler noch einen Seth Godin hervor gebracht hat.

Ein Gedanke zu „Konstruktive Wortgefechte gibt es woanders“

Wir freuen uns auf Ihre Ideen und Anregungen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Aber wir müssen uns davon überzeugen, dass Sie kein bösartiger Roboter sind. Die dazu erforderlichen Felder sind mit * markiert.

zwanzig − achtzehn =