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Ausflug: MasterClass

In der fünften Klasse setzte mich eine smarte Lehrerin neben B. Sie wusste, er würde, anders als A., niemals lange oder gar kurze Gespräche mit mir führen. Dazu hatte B. keine Zeit. Unter unserer Holzbank versteckte er stets ein Stück Literatur, mit dem weder ein kinderloser König aus dem 14. Jahrhundert noch geometrische Figuren mit drei Symmetrieachsen konkurrieren konnten. B. tat für eine Weile das, was manche von uns sich ihr Leben lang nicht trauen: Er widersprach dem System und trug die Konsequenzen dafür. Möglicherweise verpasste er aber gleichzeitig die Chance darauf, seinen Horizont zu erweitern.

Das gegenwärtige Bildungssystem konditioniert den Menschen als flexibles Bedürfnissubjekt, das nur noch eines zu wollen hat: Employability.

Andreas Dörpinghaus

1.200 Kilometer westlich und einige Jahre danach traf ich im Berufsinformationszentrum Herrn P., ein lebendes Beispiel dafür, welche Auswirkungen ein begrenzter Horizont auf die Entscheidungen von jungen Erwachsenen haben kann. In seinem fensterlosen Räumlein mit dem muffigen Charme dunkelbrauner Teppichböden riet er mir dazu, meine Vorliebe für Sprachwissenschaften dringend mit Betriebswirtschaft zu verknüpfen. Nur so könne ich überhaupt Geld verdienen.

Mit diesem Gedankengut im Hinterkopf durfte ich etwas über Schweinezyklen lernen und mich während der Statistikvorlesung fragen: Hat ein Professor nur ein einziges Haar auf dem Kopf und weht der Wind es mit einer konstanten Geschwindigkeit von links nach rechts und von rechts nach links – wie groß ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass es jemals in der Mitte stehen bleibt?

200 Kilometer nordöstlich, einen Studienabschluss, etliche Arbeitsjahre und Weiterbildungsmaßnahmen später bestimmt weder eine Bildungsanstalt noch ein Arbeitgeber darüber, was ich für welches Budget wo und wann lernen darf. Corona tut es. Weil wir seit einem Jahr nur noch beim Spaziergang oder vor dem Bildschirm Neues erfahren, kann man entweder YouTube-Videos gucken, ein Webinar aufrufen, die Website einer Volkshochschule besuchen, an einem sogenannten Massive Open Online Course teilnehmen oder bei MasterClass vorbeischauen.

MasterClass kommt aus San Francisco, ist englischsprachig und lebt von großen Namen. Die Tutor:innen heißen Margaret Atwood, Annie Clark (alias St. Vincent), Dr. Jane Goodall, Annie Leibovitz oder Howard Schultz. Die Kurse bestehen aus unterschiedlich vielen Videos (zum Beispiel 15 oder 35) von etwa 10 – 20 Minuten Länge und einem PDF-Dokument mit weiterführenden Informationen sowie Hausaufgaben, die Sie für sich alleine und in Ihrem Tempo lösen. Feedback erhalten Sie auf Wunsch von der Community.


Es gibt keine Abschlussprüfung und kein Zertifikat, mit dem die Teilnehmer:innen auf LinkedIn prahlen können. Nur die Gewissheit, dass sie heute mehr wissen als gestern.


Mit 16,67 Euro pro Monat bekommen Sie Zugriff auf alle Kurse und geben weniger aus als für fünf Flat Whites in Ihrem Lieblingscafé, das derzeit auch noch geschlossen hat.


Folgende Kategorien stehen im Fokus:

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MasterClass for Business

Es hat sich inzwischen herumgesprochen, dass Mitarbeiter:innen Menschen sind und als solche immer nur in der Gesamtheit ihres Wesens auftreten können. Ob Soft Skills oder spezifisches Fachwissen – was sie in ihrer Freizeit lernen, hat also einen Einfluss darauf, wie sie sich während des Arbeitstages verhalten. Unternehmen rät MasterClass daher, sein Angebot als Mittel zur Motivation zu nutzen. Klingt doch besser als ein Korb mit Marsriegeln, die an den Zähnen kleben bleiben?


Als ich in der sechsten Klasse war, beschlossen meine Eltern, alles Gelernte hinter sich zu lassen. Deshalb weiß ich leider nicht, was aus B. geworden ist. Leitet er eine Bibliothek? Besitzt einen kleinen Buchladen? Einen zwielichtigen Nachtclub? Auf jeden Fall stelle ich mir vor, dass ihm MasterClass gefallen würde.

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