Ein Schaf, das der Kamera den Hintern zeigt, als Symbol für eine Beschwerde

Ignoranz ist ein einschneidiges Schwert

Tom und Jerry. Montagues und Capulets. Vampir und Kruzifix. Feindschaften wie diese entstehen selten über Nacht. Ihrer Geburt geht ein langwieriger Prozess voraus, der Hartnäckiges zur Welt bringt: eine selektive Wahrnehmung, die alles mit dem Feindbild Verbundene verzerrt, und sich nicht so leicht korrigieren lässt. Um so erstaunlicher ist es, dass Unternehmen immer wieder vergessen, dass sie selbst zum Feindbild werden können. Dazu braucht es nicht immer einen Anton Schlecker oder teure Ölteppiche am Golf von Mexiko. Der Groll wird auch im kleinen Rahmen gehegt und gepflegt, und im schlimmsten Fall von dort aus verbreitet. Die Quelle sprudelt aus der Unzufriedenheit heraus, der deutlichen Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität. Der Nährboden für dieses Missverhältnis ist abwechslungsreich: mangelhafte Waren, unangemessenes Verhalten, veränderte Produkte, verzwickte Prozesse. Wer hat sich nicht schon einmal über ein Unternehmen geärgert?

Jeder reagiert auf Unstimmigkeiten anders. Aber die meisten Menschen wissen, dass Perfektion eine Illusion ist. Wir sind deshalb grundsätzlich bereit zu verzeihen. Ein Feindbild bildet schließlich keinen natürlichen Gegensatz zu einem selbst. Wir brauchen es nicht, um das Gleichgewicht der Welt zu erhalten. Was können Unternehmen also tun, um nicht zum Sheriff von Nottigham eines Robin Hood zu werden? Sie laden den Kunden dazu ein, Unmut zu äußern. Wird diese Äußerung auch noch bearbeitet, erfasst und die Spannung gelöst, nennt man das im Marketingjargon „Beschwerdemanagement“ und ordnet es dem umfassenden Thema Customer Relationship Mangement zu.

Manche Beschwerden sind gesetzlich geregelte Reklamationen (der Kunde vermisst zugesicherte oder zu erwartende Eigenschaften, die ihm nutzen könnten, etwa die Lieferung eines Formel Eins-Autos ohne Gaspedal), andere sind Ausdrücke subjektiver Empfindungen (Coca Cola verändert plötzlich die bewährte Mixtur seines Zaubertranks und der Kunde fühlt sich verraten). So vielfältig das Thema, so unterschiedlich die Herangehensweisen. Wichtigste Werkzeuge in kleinen Unternehmen sind klare Regeln und ihre Umsetzung. Große Unternehmen hingegen kommen ohne komplexe Systeme und integrierte Ansätze nicht aus. Im Grunde genommen könnte alles so einfach sein…

… Was der Kunde gerne sieht
Da hört mir jemand zu und erklärt die nächsten Schritte. Eine Lösung wird in Aussicht gestellt, auf die ich nicht lange warten muss. Falls es Verzögerungen gibt, hält man mich auf dem Laufenden. Egal wen ich frage, er kann mir eine kompetente Auskunft geben, und schickt mich nicht von einer Stelle zur anderen.

… Was das Unternehmen tun kann
Eine Entschuldigung aussprechen, egal ob es sich schuldig fühlt oder nicht. Beschwerde erfassen, feststellen ob sie relevant ist. Dem Kunden gegenüber nichts versprechen, wovon man weiß, man wird es nicht einhalten. Standard-E-Mails unterlassen, die dem Kunden das Gefühl geben, eine Nummer zu sein. Auf keinen Fall einen Prozess starten, der im Sande verläuft.

 

Auf allen Wegen liegen heimtückische Stolpersteine…

… Unwissen schützt vor Pleite nicht
Während das Unternehmen sich in der Annahme sonnt: Keine Beschwerde, volle Kundenzufriedenheit, ist der Kunde möglicherweise längst bei der Konkurrenz.

… Je mehr desto besser
Je höher die Anzahl der Beschwerden, desto besser für das Geschäft. Das gilt natürlich nur dann, wenn man auf diese Beschwerden auch eingeht und die Chance nutzt, die Beziehung zu retten oder gar zu stärken.

… Große Erwartungen und die Realität
Wenn der blasse Herr im Regenmantel sich in der Bäckerei darüber beschwert, dass es keine frischen Heringe gibt, ist der Bäcker zu Recht geneigt, diese Bemerkung zu überhören. Macht die untersetzte Dame darauf aufmerksam, die Aushilfsverkäuferin möge vielleicht lieber in ein Taschentuch, statt in die Auslage niesen, könnte man sie durchaus ernst nehmen.

… Die Welt ist ungerecht
Nicht alle Beschwerden sind berechtigt. Doch wie im richtigen Leben so auch in der Wirtschaft: Ignoranz gleicht Arroganz und wird bestraft. Jene, die eine Wahl haben, kehren dem feindlich gesinnten Unternehmen gerne mal den Rücken.

 

Ich warte seit fast einem Monat auf die Antwort einer großen deutschen Fluggesellschaft. Der Grund: eine eingereichte Beschwerde. Mein Anliegen wurde unter einer achtstelligen Nummer gespeichert und an die entsprechende Stelle zur Bearbeitung weitergeleitet. Ich wurde gebeten, von einer weiteren E-Mail mit dem gleichen Anliegen abzusehen.

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