Märchen-Figuren als Symbol für Storytelling

Und sie lebten vergnügt bis an ihr Ende

Der amerikanische Redner und Autor Seth Godin schreibt Bücher zum Thema Marketing so, dass sie von vielen gelesen werden. Was er behauptet, verinnerlichen seine Anhänger nicht nur – sie verbreiten die mit Bedacht gewählten Worte allzu gerne. Ein Zitat taucht immer wieder an den unterschiedlichsten Stellen auf, wie eine unbeaufsichtigte Lampionblume, die jeden Hobbygärtner in den Wahnsinn treiben kann: „Im Marketing dreht sich nicht mehr alles um das Zeug, das du herstellst, sondern um die Geschichten, die du erzählst.“

So wunderbar der Blütenkelch der Lampionblume aussieht, so attraktiv klingt dieser Satz. Doch die Wurzeln des Nachtschattengewächses würgen schon mal andere Pflanzen und besagter Satz schafft es leicht, andere Wahrheiten zu verdrängen. Vor allem dann, wenn man ihn aus dem Kontext herausreißt und wörtlich nimmt.

So wuchern innerhalb des Marketings Geschichten an den ungewöhnlichsten Stellen und der ein oder andere meint, ein guter Erzähler zu sein würde genügen, um langfristig erfolgreich zu sein. (Manche machen sogar das Geschichtenerzählen zum Kern ihres Geschäftsmodells – ohne den Kunden über diesen Wandel zu informieren.) Wir finden sie in E-Mails und Produktbeschreibungen vor, auf Websites, in der Werbung, am Telefon oder im persönlichen Gespräch. Häufig gehören sie dann der Gattung „absurdes Theater“, „Farce“, „Tragödie“, „Tragikomödie“, „Posse“, mitunter „Märchen“ oder „Saga“ an. (Fachbegriffe, die Marketer in diesem Zusammenhang gerne benutzen: Storytelling und Content Marketing.)

Geschichten und Absatzwirtschaft waren nicht immer so eng miteinander verbunden. Aber heute leben viele Menschen im Überfluss. Wer regelmäßig zwischen zwanzig Sorten Müsli wählen muss und vor fünfzehn Marmeladen steht, der – so die Legende – sehnt sich nach einer Entscheidungshilfe, die seine Emotionen anspricht, und einer bebilderten Dokumentation für seinen Geist.

Schwarze Notizbücher? Gab es auch vor Moleskine wie Sand am Meer. Aber wer würde nicht in die Fußstapfen von Picasso oder Hemingway treten wollen? Was sind schon neunzehn Euro für 92 Seiten säurefreies Papier, auf denen (und nur auf denen) man selbst künstlerische Hochleistungen erreichen kann? Umweltschonende Dieselfahrzeuge aus dem Land der weltbesten Ingenieure? Aber sicher doch. Vorsprung durch Technik sei Dank. Woran erkennen wir eigentlich was gut ist? Natürlich anhand von schönen Bildern, die uns für ein paar Augenblicke von der hässlichen Realität in einem Discounter-Laden ablenken. Der Mensch zieht Illusionen einer langweiligen Aneinanderreihung von Fakten nun mal vor.

Aber Vorsicht. Innerhalb eines Unternehmens sollten die Geschichten aufeinander abgestimmt und irgendwo zwischen all den blumigen Worten und bunten Bildern ein Körnchen Wahrheit vergraben sein. Das Publikum geht nämlich irgendwann nach Hause und nutzt ein Produkt, das in seiner neuen Umgebung plötzlich ganz nackt dasteht. Ohne die möglicherweise als kaltblütig empfundenen Disziplinen wie Marketingstrategie, Produktmanagement, Kundenbetreuung, Marktforschung oder Vertriebsplanung kommen erfolgsorientierte Unternehmen nicht aus.

Das mag jetzt nicht so eingängig klingen: Aber außerhalb von amüsant geschriebenen Büchern und kurzweiligen Blogbeiträgen kommt es eben doch auf sehr viele unterschiedliche Aspekte an, die ein vielschichtiges Ganzes bilden.

Ende.

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