Wieso hört man eigentlich so selten etwas Positives über den Kundenservice großer Unternehmen? Und zwar nicht über prompte Lieferzeiten oder unkomplizierte Rücksendungen, sondern die zwischenmenschlichen Beziehungen. Wieso gehen wir so gerne in das kleine Café mit durchgesessenen Sofas, in dem die Auswahl an Getränken mit dem vielfältigen Angebot der Kaffeehaus-Ketten nicht mithalten kann? Oder wählen die kleine Agentur, statt einer namhaften, globalen Markenschmiede? Was macht den Charme aus? Wieso schaffen manche kleine Unternehmen es, die fast schon als romantisch geltende Vorstellung von gutem Kundenservice aufrechtzuerhalten?
Vielleicht liegt es daran, dass hinter jedem erfolgreichen Kundenservice ein starkes Grundkonzept steckt.
Kontinuität
Kleine Unternehmen folgen zumeist einer langfristig angelegten Strategie.
Unabhängigkeit
Nicht die Eigeninteressen verfolgende Aktionäre bestimen über die Zukunft, sondern die Inhaber.
Wissen
Weil das Angebot überschaubar ist, kennen die Mitarbeiter ihre Produkte oder Services.
Fokus
Es gibt keine komplexen Strukturen, keine politischen Machtkämpfe auf etlichen Ebenen, keine Silos. So bleibt genug Zeit, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren.
Transparenz
Informationen gehen extrem kurze Wege und sind jedem zugänglich.
Flexibilität
Wo kein riesiger Verwaltungsapparat den Alltag beherrscht, greift man Chancen auf und reagiert schnell auf Veränderungen.
Verantwortungsbewusstsein
Jedem fällt dieselbe Verantwortung zu. Geht ein Mitarbeiter seiner Verantwortung nicht nach, schadet er seinen Kollegen, dem gesamten Unternehmen und letztendlich sich selbst. Und ist sich dessen bewusst.
Motivation
Zu sehen, wie der eigene Einsatz das Endergebnis beeinflusst, motiviert sein Bestes zu geben.
Die Herzen großer Unternehmen schlagen in einem andren Rhythmus. Sie unterliegen ihren eigenen Naturgesetzen. Und so erscheint ein Aspekt, der kleine Unternehmen auszeichnet, bei den Großen häufig wie reine Utopie:
Echte Kundenbeziehungen
Mitarbeiter kleiner Unternehmen nehmen sich Zeit für den Einzelnen. Sie hören zu. Setzen um, worum der Kunde sie bittet. Wägen ab, wenn der Kundenwunsch dem Unternehmen schaden könnte. Sie machen Fehler und entschuldigen sich. Legen nicht den Hörer auf, wenn sie nicht weiterwissen. Sie lachen. Sehen einem in die Augen. Merken sich Kleinigkeiten. Sie sehen den Kunden als menschliches Wesen an.
In großen Unternehmen verkommt der Kunde hingegen zu einer nicht miteinander verbundenen, anonymen Datensatz-Sammlung innerhalb einer künstlich erschaffenen Zielgruppe.
Die Bestrebung, diesen Umstand zu ändern, gibt es durchaus. Sie heißt „Single Customer View“ bzw., von Econsultancy verfeinert, „Single Individual View“. Dieser Begriff wurde durch Softwarehersteller geprägt und meint: alle Daten, die ein Unternehmen über einen Kunden sammelt, ergeben im Idealfall ein vernetztes, großes Ganzes. Der Ansatz soll auch globalen Konzernen ermöglichen, den Kunden als eine reale Einheit zu sehen und ihn mit Hilfe von Technologie ein wenig menschlicher zu behandeln.
Aber alleine bei der Implementierung der digitalen Lösungen müssen Unternehmen einige schwierige Hürden nehmen. Und um auf dieser Basis echte Kundenbeziehungen aufbauen zu können, gilt es weitere, analoge Aufgaben zu lösen, die auch Herkules zur Verzweiflung gebracht hätten. In großen Unternehmen wimmert es nämlich von Hydras, Hirschen mit goldenen Hörnern und Ställen, die seit Jahren nicht mehr gereinigt wurden. Der Hauptgrund: Der Mensch lässt sich, anders als der artige Algorithmus, nicht ohne Weiteres programmieren. Er ist eine eigensinnige Komponente des Gesamtkonzeptes, mit der sich zahlreiche große Unternehmen schwertun.