Altes Polizeipräsidium in Frankfurt am Main, ein Bleiglasfenster mit Einsen und Nullen auf den zahlreichen Scheibenabschnitten

Ist es noch Suchmaschinenoptimierung oder schon irreführende Werbung?

Menschen finden nicht immer das, was sie suchen. Erst recht nicht im Internet. Denn es suggeriert zwar unendliche Möglichkeiten, belohnt aber vor allem Akteur:innen mit ausreichend Kleingeld für die besten Plätze auf den Bildschirmen. Oder Menschen, die Taschenspielertricks beherrschen. Diese Artist:innen gaukeln vor, den Suchenden zu geben, was sie brauchen. Doch das wahre Interesse gilt ausschließlich ihrem eigenen Wohlbefinden.

Die Suche beginnt mit ein paar Worten

Versetzen Sie sich beispielsweise in die Rolle einer Schreinerin auf ihrer virtuellen Erkundungsreise. Das Ziel: eine Agentur mit WordPress-Expertise in Frankfurt am Main ausfindig machen. Recht weit vorne präsentiert die Suchmaschine ein Unternehmen, das behauptet über einen regionalen Firmensitz in der Stadt zu verfügen. Auf seiner Landing Page (der Seite, auf der unsere Forschende landet, wenn sie das Suchergebnis anklickt) erscheint eine nie enden wollende Reihe von Absätzen über Frankfurt am Main. Dazu kommen Fotos von der Skyline und die Beschreibung des eigenen Angebots in Floskeln.

Zurecht fragen Sie sich, warum die Agentur davon ausgeht, sie müsse der Schreinerin die schönsten Sehenswürdigkeiten erläutern oder aufführen, wo die Frau am besten einkaufen geht. Nun, die nutzlosen Details sollen alleine bei der Suchmaschine eine Illusion von Relevanz hervorrufen. Das menschliche Wesen hofft man indessen mit Argumenten aus einem Buzzword-Bingo-Ratgeber zu überzeugen.

Beim Umschauen auf der Website stellt die Suchende fest – die zwei aufgeführten Adressen liegen im Süden Deutschlands, die nächste 105 Kilometer von Frankfurt entfernt.

Das Gesetz stuft Irreführung als unzulässig ein, unter Umständen

Es ist leider nicht verboten, Leser:innen zu langweilen und dem Algorithmus größere Priorität einzuräumen. Irreführung definiert das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) jedoch als unzulässige Methode, neue Kund:innen zu gewinnen.

Im § 5 zum Thema Irreführende geschäftliche Handlungen heißt es:

(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

(2) Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:
die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen;

Die durchschnittliche Person entscheidet über recht haben und Recht bekommen

Ob eine Irreführung nach § 5 UWG vorliegt, hängt davon ab, wie durchschnittliche Adressat:innen das Suchergebnis und die Landing Page beurteilen. Deshalb müssen wir herausfinden: Warum suchte die Schreinerin mithilfe der Ortsbezeichnung? Lehnt sie die Agentur ab, weil diese in Bezug auf ihre Standorte lügt? Welche Bedeutung hat also die geografische Herkunft der Denkleistung für die Frau?

Liegt eine irreführende Handlung vor, dürfen Wettbewerber:innen den rechtlichen Weg beschreiten. Die wenigsten tun es. Sie wissen schlicht nichts von den Einzelfällen. Haben nicht die Muße, die vielfältigen kreativen bis kriminellen Aktivitäten zu verfolgen.

Vielleicht werden Sie sagen, dass in Zeiten von Remote Work, Co-Working-Spaces an jeder Ecke und (theoretisch) schnellen Zügen so eine Behauptung höchstens als ein im Geschäftsverkehr übliches Flunkern durchgeht. Wir sprechen schließlich nicht von Parmaschinken, Nürnberger Lebkuchen oder Champagner, die geschützte Ursprungsbezeichnungen tragen. Aber eben auch nicht von Black Hat Suchmaschinenoptimierung (SEO), bei der die Optimierer:innen sich nicht an Richtlinien der Suchmaschinenbetreiber halten. Sie können sich genauso gut einreden, auf diesen einen Strohhalm im Meer käme es nicht an.

Die Konsequenzen für die Täuschungen der Anderen tragen wir alle

Ein Umstand, den viele im Zusammenhang mit der Manipulation der Suchenden übersehen: Unternehmen, die tatsächlich in Frankfurt am Main ansässig sind, zahlen die eklatant teure Miete sowie die unverschämte Gewerbesteuer. Sie kaufen in lokalen Läden ein, gehen in Sportkurse, Theater, Kinos, Restaurants; setzen sich für verschiedene Vereine und Verbände ein. Sie erhalten die Stadt am Leben.

Das Metaversum bietet sich schon heute als verheißungsvoller Ort an. Dort gibt es allerdings nur kalten, geschmacklosen Kaffee und keine Kekse. Die Folgen des digitalen Tricksens erleben wir wiederum in analogen Realitäten.

Denken Sie darüber nach und machen etwas daraus. Egal, ob Sie auf der Angebots- oder Nachfrageseite stehen.

Schauen Sie als weiterführende Inspiration

– Vorsicht Spoileralert –

den Film „Don’t Worry Darling“ an. Anschließende Diskussion willkommen.

Wir freuen uns auf Ihre Ideen und Anregungen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Aber wir müssen uns davon überzeugen, dass Sie kein bösartiger Roboter sind. Die dazu erforderlichen Felder sind mit * markiert.

zwei × eins =