Der Wagen einer Wahrsagerin als Symbol für fehlende oder falsch genutzte Informationstechnik

Das Flüstern im Karton

Ideen entstehen im Kopf, keimen der Legende nach in Garagen und entfalten ihr wahres Potenzial in wild eingerichteten Büros. Schritt für Schritt verwandeln sich Gedanken in erfolgreiche Unternehmen und schaffen als Nebeneffekt komplexe Strukturen. Aus einigen wenigen Kunden, die man besser kennt als seine Verwandtschaft, werden unübersichtliche Massen, deren verschwommene Gesichter Kennzahlen formen. Doch damit Chaos verhindert und der Einzelne wieder sichtbar wird, bietet das Universum einen Ausweg: Informationstechnik.

Diese Wunderwaffe hat sich in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt und in der Marketingwelt für Aufruhr gesorgt. Berge elektronisch gefesselter Daten versprechen Großes und beinahe jeder lästige Vorgang kann automatisiert werden. Aber vor allem sind Marketingverantwortliche endlich in der Lage, sich einen Überblick zu verschaffen. Sie erkennen Zusammenhänge und treffen Entscheidungen, die auf Fakten basieren. So die Theorie. In der Realität begegnen wir häufig einem komplizierten Gewirr aus Altlasten, Neuanschaffungen und Fehlgriffen, die keinerlei Interesse aneinander haben und unterschiedlichen Herren dienen. Systeme entsprechen nicht etwa der Logik, sondern internen Kämpfen und politischen Entwicklungen. Es gibt keinen Knopf, der viele Einzelinformationen zu einem klaren Bild zusammenfügt. Dafür kann der Marketingverantwortliche in beliebig viele Kartons schauen und den Inhalt durchstöbern. Manche dieser Kartons enthalten sich überschneidende Informationen, die im Glücksfall durch verborgene Seile miteinander verbunden sind.

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Karton Nummer eins: Kanäle
Produkte, Menschen, Worte und Taten machen aus Sicht der Kunden ein Unternehmen aus. Im Inneren dieser Unternehmen verstecken sich aber verzwickte Strukturen, langwierige Prozesse und Spezialisten für alle Lebenslagen. Eine IT-Struktur wächst um diese Dinge herum und so kommt es auch, dass beinahe jeder Kommunikationskanal seine eigene Software hat. Um eine Website optimal zu gestalten, kann man zum Beispiel Content Management Systeme, Webanalyse Tools, Chat-Programme, Community-Plattformen, Umfragesoftware oder fragwürdige Übersetzungsroboter von jeweils unterschiedlichen Herstellern nutzen.

Karton Nummer zwei: Kampagnen
Marketingziele lassen sich auf unterschiedliche Art und Weise erreichen. Eine Methode, die es schon vor dem Zeitalter der Digitalisierung gab, sind Kampagnen. Diese zeitlich befristeten Aktionen beziehen entweder einen oder gleich alle Kommunikationskanäle ein. Kampagnenmanagement hat dank seiner klassischen Rolle recht früh den Weg ins Reich der Bits und Bytes gefunden. Module für Budgetierung, Kostenüberwachung, Zeitplanung, Genehmigungsprozesse, Werbemittelauswahl, Teilnehmermanagement von Veranstaltungen und Personalplanung bilden nur der Anfang einer langen Liste von zur Verfügung stehenden Werkzeugen.

Karton Nummer drei: Kundeninformationen
Es wäre schön, wenn in diesem Karton alle Informationen, die ein Unternehmen über einen Kunden gesammelt hat, zu finden wären. Dann würde man dem allgemein gepriesenen Konzept für die Pflege von Kundenbeziehungen gerecht werden. Dann wären alle persönlichen Kundendaten, Konversationen, Kaufentscheidungen und Präferenzen auf einen Blick zu haben. Und tatsächlich bemühen sich die Hersteller von marktbeherrschenden CRM-Systemen um Integration. Spezialisten werden zwar nicht zu Gesprächen eingeladen, dafür aber immer wieder eingekauft, damit ihre Lösungen das große Ganze ergänzen. Doch es scheint, als käme ohne einen vierten Karton niemand mehr aus.

Karton Nummer vier: Sammelkarton
Egal welche Software man zur Hilfe nimmt: letztendlich will der Marketingverantwortliche analysieren, planen, ausführen und kontrollieren. Damit das umfassend möglich ist, haben IT-Spezialisten das sogenannte Data Warehouse entwickelt. Diese Datenbank fasst Daten aus vielen Quellen zusammen und bietet die notwendige Grundlage für Auswertungen.
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Vier Kartons und zig Möglichkeiten, dabei haben wir spezielle Lösungen für Produktinformationen oder interne Zusammenarbeit gar nicht berücksichtigt. Das Ganze kann schon verwirren. Übersichten wie die der Marktforscher von Gartner zum Thema „digitales Marketing“ oder die Zusammenfassung der Dienstleister von LUMA versuchen das Thema aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Aber sie können auch nicht verhehlen: die Verbindung von Informationstechnik und Marketing steckt immer noch in den Kinderschuhen.

Früher war eben alles etwas leiser. In der lauten Welt von heute gilt es, das Flüstern der Kunden mit Hilfe von Informationstechnik herauszuhören. Dazu reicht es nicht, einzelne Informationen in voneinander unabhängigen Systemen aufzubewahren. Das Silo stirbt aus. Gewinnen wird, wer es schafft, ein Netzwerk zu implementieren, das frei von persönlichen Ansichten und voll mit Interaktionen ist.

Ansonsten bleibt als Erfolgsrezept immer noch der Blick in die Kristallkugel.

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