Einfältige Gegenstände sind vom Aussterben bedroht. Zwar gibt es sie noch, die dummen Dinge. Aber wie lange noch?
Ein Stuhl auf dem man gemütlich sitzen kann. Eine Uhr, die uns sagt, wie spät es ist. Ein Telefon, mit dem wir Gespräche führen. Im Zeitalter der Digitalisierung scheint es keinen Platz zu geben für Produkte, die nur eine einzige Aufgabe erfüllen. Die Vorboten einer schlauen Zukunft weilen derweil unter uns.
Smarte Autos
Mercedes Benz ist eine Luxusmarke. Sie spricht Menschen an, die sehr viel Geld haben oder solche, die Schulden auf sich nehmen, um vorzugeben, jemand zu sein, der sie nicht sind. Entsprechend der Positionierung klotzt die Kommunikation mit Superlativen und vermittelt der Zielgruppe ein Gefühl der Überlegenheit. Jetzt schickt Daimler den Mercedes-Benz F 015 auf die Straße – ein Forschungsfahrzeug, das eine Mobilitätsrevolution anführt.
Ein Auto bringt Sie in Zukunft nicht einfach von einem Ort an einen anderen. Es wird selbst zu einem außergewöhnlichen Aufenthaltsort. Der Fahrer ist keiner mehr. Er lehnt sich in seiner neuen Luxus-Lounge zurück und erfreut sich am neuen Komfort. „Das Automobil wird weit über seine Mobilitätsfunktion hinaus privater Rückzugsraum sein und einen wichtigen Mehrwert für die Allgemeinheit bieten.“
Smarte Parkhäuser
Irgendwie passt so ein selbstfahrendes Luxusauto nach Düsseldorf. Finden Sie nicht? Zumindest bietet man ihm dort einen standesgemäßen Empfang am Flughafen. F 015 trifft auf „Ray“, den Roboter, der das Einparken übernimmt. Die Zusammenarbeit der Maschinen strotzt vor Effektivität. Ray schafft es, vierzig Prozent mehr Autos auf einer Fläche unterzubringen als wir Menschen. Multitasking fällt dem Roboter auch leicht. Er kennt die Abflug- und Ankunftszeiten und stellt das Auto seinem Besitzer pünktlich zur Verfügung. Der gewinnt bei der Kooperation mit dem Roboter wertvolle Zeit, um sich aufs Wesentliche konzentrieren zu können: sich selbst. Das Kundenversprechen gleicht dem des Mercedes und zelebriert einen neuen Konsumenten, den man wahlweise unter den Stichworten „Hedonist“, „Egoist“ oder „Futurist“ zusammenfassen könnte.
Smarte Rasierapparate
Um das Leben in vollen Zügen genießen zu können, lässt sich der Besitzer des F 015 auch die kleinen Lasten des Alltags abnehmen. Zum Beispiel beim Rasieren. Das bekommt nämlich eine völlig neue Dimension. Zumindest, wenn man Platzhirsch Gillette glauben darf. Der duzt seine Kunden lässig und erhält über eine Box direkten Zugang zum Badezimmer. Diese Box erkennt, wann die nächste Klinge fällig ist, und übernimmt den Bestellvorgang. Um Roboter-Scherze zu vermeiden, muss der Kunde den Kauf noch einmal via E-Mail bestätigen.
Smarte Kleidung
Nach der Rasur mit der stets scharfen Klinge bleibt glücklicherweise genügend Zeit für den Sport. Denn in einem futuristischen Körper haben Fettpolster nichts zu suchen. Entsprechende biometrische Kleidung hilft dabei, die Kontrolle über seinen Körper zu behalten. Ein smartes Shirt, dazu eine smarte App auf dem Smartphone – das ergibt verdammt smarte Ergebnisse. Ein externes Datenmodul überträgt biometrische Daten vom Shirt ins Telefon. Die Auswertung verrät dann, wie der smarte Kerl von heute seine Performance steigern kann.
Smarter Schmuck
Während der Hang zum Körperkult häufig Männern unterstellt wird und diese in den Augen der Unternehmen als attraktive Zielgruppe qualifiziert, soll die Besitzerin des F 015 in allen Lebenslagen hübsch aussehen. Schließlich stehen Frauen nicht mehr am Herd, sondern fliegen um die Welt und trotzen alten Rollenbildern. Bei dieser Mission unterstützt sie das schlaue Armband von Memi, das als Erweiterung des Smartphones fungiert. Von Frauen für Frauen erdacht, vibriert das Armband diskret bei Anrufen oder fälligen Terminen. In einer App bestimmt Frau vorher, welche Nachrichten ihr Schmuckstück empfängt und lässt lästige Anrufer in der Handtasche zurück.
Smarte Möbel
Damit das smarte Telefon stets an bleibt und keine Nachrichten seiner smarten Begleiter verpasst, liefert IKEA passende Möbelstücke. Man braucht das Telefon nur auf seinen Tisch zu legen und der Akku lädt. Die Gefahr, eine lebenswichtige Benachrichtigung zu verpassen, wird gebannt.
Das Internet umfasst jeden und alles. Unternehmen, die vor dieser Tatsache die Augen verschließen, sollten sich entweder eine Nostalgie-Nische suchen oder demnächst ihr Testament aufsetzen. Das verkünden die vom Volk der globalen Nomaden anerkannten Propheten. Hersteller, die sich heute schon schlauen Gegenständen widmen, lassen erahnen, was auf uns zukommt. Scheinbar gehen manche von ihnen davon aus, der Mensch verwandle sich in eine selbstverliebte Effizienzbestie, die am WWW-Tropf hängt.
Ein Gedanke zu „Das Ende der Einfältigkeit“