Glühbirnenkette im Tunnel

Alle Jahre wieder

Zahlreiche US-Amerikaner:innen kümmert Machtmissbrauch recht wenig, solange er keine sichtbaren Auswirkungen auf ihr Leben hat. Deshalb bekommen sie schon sehr bald den Präsidenten, den sie nicht verhindern wollen. Die Chancen darauf, dass sich die EU und die britische Regierung auf ein Handelsabkommen einigen, sinken schneller als ein Sconekrümmel in der Teetasse.

Die Anzahl der Seiten in der hessischen Verordnung zur Beschränkung von sozialen Kontakten (und des Betriebes von Einrichtungen und von Angeboten aufgrund der Corona-Pandemie) steigt zusammen mit der Ratlosigkeit über den Umgang mit Maskenverweigerern. Und während sämtliche Bundesländer sich ihre eigenen Regelungen stricken, warnt Bundestagsvizepräsident Kubicki vor einem dauerhaftem Schaden für die Demokratie.

Die Hotellerie klagt gegen das Beherbergungsverbot. Soloselbstständige gehen nicht mehr so häufig auf die Barrikaden. Sie haben weiterhin keine erwähnenswerte Lobby, füllen aber wenigstens ein paar Minuten Sendezeit in einer Satireshow.

Was für eine Zeit! Geprägt von Unsicherheit und Wahnsinn. Uns bleibt nur der Ausblick auf die einzige Konstante im Jahr. Ein paar Tage, auf die wir uns alle gemeinsam freuen können: Weihnachten.

Lasset uns ab sofort den wahren Geist dieses Festes feiern: Laufet in die Innenstädte hinein und rettet den Einzelhandel, bevor der nächste Lockdown kommt! Politiker:innen wollen uns flott dabei helfen – sie fordern Unternehmen auf, das Weihnachtsgeld noch im Oktober auszuzahlen. (Sie kennen meine Nachbar:innen nicht, über deren Pakete ich täglich im Hausflur stolpere. Seit Jahren meiden Hinz, Kunz und Mustermann die Innenstadt. Aber das sehen die Politiker:innen ja nicht.)

Keine Sorge: Der Einzelhandel ist auf unseren Ansturm gut vorbereitet. Seit September tummeln sich Rentiere zwischen den Regalen. dm lockt mit einem Tannenkranz, der nicht nadelt – eine hochwertige Kunstpflanze mit natürlicher Haptik. BUTLERS bietet originellen Weihnachtsschmuck in Form von Burger und Pommes – der stand scheinbar schon lange auf dem Wunschzettel der Kund:innen. DEPOT setzt auf Magie, bestehend aus Zucker, E330, E296, E334, E414, E500, E999, E171, E120 und Aroma. Derzeit noch saftige Lebkuchen, knackige Spekulatius und dreischichtige Dominosteine warten auf uns. (Hamsterkäufe bleiben, anders als beim stets begehrten Toilettenpapier, aus. Die modernen Käufer:innen setzen klare Prioritäten.)

Warum die Hersteller:innen auch dieses Jahr einen Adventskalender mit 24 Türen verkaufen, bleibt allerdings ein großes Geheimnis. Wieso nicht auf 4-Monats-Kalender umsteigen? Oder auf ein Abo-Modell? Der lokale Händler – von Gemüse über Getränke bis hin zu Frettchennahrung – könnte sogar schon im Januar anfangen, zum Beispiel unter dem Motto: Wir liefern jeden Tag ein Stück Vorfreude aus. Nicht? Und überhaupt, Advent: Was war das noch mal?

Advent heißt Ankunft. Es ist eine Zeit der Vorbereitung, der Stille und der Erwartung. Christinnen und Christen warten aber nicht etwa auf das Klingeln der DHL-Fahrer:innen, sondern auf die Ankunft Gottes an Weihnachten. Der kommt in Form eines Babys, das in seiner Krippe freundlich lächelt. Das Warten wiederholt sich Jahr für Jahr aufs Neue. Damit die Wartezeit den Christinnen und Christen nicht zu lange vorkommt, gibt es seit dem 19. Jahrhundert den Adventskalender. Der hat eine interessante Entwicklung erfahren: Anfangs bastelten hochmotivierte Kinder mit ihren Eltern Bilder. Dann steckte jemand flache Schokoladenstücke hinter die Türchen. Heute finden alle das, was zu ihnen am besten passt.

Überraschungen für Paare, die erste Erfahrungen mit Sextoys sammeln möchten. Viel Wurst, viel Überraschung, viel Schweinerei. Rätsel, deren Lösungen Türen öffnen und damit den Weg in die Freiheit. Spirituelles Detoxing, das verspricht, am Ende sei man ein klein bisschen zufriedener mit sich selbst. Und natürlich alttestamentliche Weissagungen. Melden Sie sich für den Adventsnewsletter der Evangelischen Kirche an. Falls Sie diesen Newsletter dann doch nicht mehr bekommen möchten, können Sie sich in jeder E-Mail selbstverständlich wieder abmelden. (Der christliche Schöpfer sammelt Daten, die womöglich beim Gesuch um einen Eintritt in den Himmel überprüft werden. Aber natürlich läuft das Ganze gesetzeskonform ab.)

Mag dieses Jahr noch so schwierig daherkommen. Bitte halten Sie durch. Es sind nur noch 63 Tage bis Weihnachten!

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