Ein Haus in Italien als Symbol für den unbeugsamen Italiener, der eine Marke erschaffen konnte

Das Vermächtnis des unbeugsamen Italieners

Ich hätte nicht gedacht, dass mir so etwas passiert. Aber wer niemals nie sagt, der weiß, dass irgendwann der Tag kommen wird, an dem das Unwahrscheinliche eintritt. Um einem ins Gedächtnis zu rufen, dass nichts unmöglich ist und alles wahrscheinlich. Ich bin ein wenig traurig. Denn das erste Mal in meinem Leben vermisse eine Marke. Das Verschwinden der YES-Törtchen aus den Regalen fiel mir noch nicht einmal auf. Der Tod von Kodak-Filmen – nicht der Rede wert. Doch letztes Jahr schloss mein Lieblingsrestaurant seine Pforten, ohne, dass ich Auf Wiedersehen sagen konnte. Dieser abrupte Abschied tat schon weh. Andererseits war es das einzig denkbare Ende. Der unbeugsame Italiener verstand sein Handwerk nur allzu gut.

Seine Vision war für alle erkennbar, ohne, dass er sie je auf irgendeine verunstaltete PowerPoint Folie hätte bringen müssen. Nahrung für die Seele – so sah sein Traum aus. Keine Millionen scheffeln. Nicht die Welt verbessern. Einfach nur den Menschen etwas bieten, das gut tut.

Erreichen wollte er diese Vision mit einem Restaurant abseits gentrifizierter Stadtteile, fern von denen, die nichts anderes im Kopf haben als sich selbst.

Als Kern-Produkt verkaufte er verdammt leckeres Essen. Das erweiterte Produkt: eine Atmosphäre, in der Gäste sich wohl fühlten. Während anderswo der Begriff „Erlebnis-Marketing“ erst erfunden werden musste, sorgte er für unvergessliche Begegnungen.

Die Preisgestaltung: transparent wie ein frisch geputztes Fenster. Der Mehlteig mit Belag kostete weniger als ein Fisch, der von weit her gereist war.

Das Essen servierte er ausschließlich im Lokal. Das mag nach einer simplen und offensichtlichen Vertriebsstrategie klingen. Die Rafinesse lag im Detail: Wer Pizza essen wollte, der musste sich für einen der beiden Räume entscheiden. Pizza ist eben etwas, das man eher in einem gemütlichen Wohnzimmer zu sich nimmt. Der romantische Gewölbekeller mit Blick auf einen verwunschenen Garten, der verlangt nach mehr Sinnlichkeit. Das wussten die Gäste. Und keiner wäre je auf die Idee gekommen, sich darüber zu beschweren, dass die Umstände sie zwangen zwischen Romantik und Gemütlichkeit zu wählen. Was beweist: Der Kunde muss nicht alles bekommen, was er sich wünscht. Sofern die Entscheidung einer nachfühlbaren Logik folgt.

Er wusste sehr gut, dass Mitarbeiter Marken machen, wenn man sie lässt. Deshalb bediente ausschließlich geschultes Personal und die Fluktuation blieb gering. Nie ging etwas bei der Reservierung schief. Die Servicekräfte konnten einem jeden Wunsch von den Augen ablesen – weil sie etwas taten, was heutzutage selten geworden ist. Sie waren aufmerksam. Die Küche reagierte stets flexibel, ohne sich verbiegen zu müssen.

Facebook, Twitter, YouTube? Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, ein trendiges Allheilmittel zu nutzen, das ihn nicht zum Ziel führte.

Viele Jahre lang pflegte er seine Marke liebevoll. Das spürten seine Kunden. Deshalb vermissen die meisten auch gar nicht ihn selbst, sondern das Gefühl, das seine Marke zu schaffen vermochte.

Bei all dem Gerede über nachhaltige Markenbildung, Vermenschlichung der Marke und sonstige Absurditäten selbstverliebter Marketingleute: Würde nur einer von ihnen handeln, statt reden. Dann gäbe es mehr Marken, denen es sich lohnt treu zu sein. Auch ohne Loyalitätsprogramme. Würden die Marketingverantwortlichen manchmal ein klein wenig unbeugsamer vorgehen, dann könnten sie tatsächlich etwas Großartiges erreichen. Aber statt dessen verfolgen sie lieber eigene Karrieren, lassen Gier als Marketingziel gelten und schauen weg, wenn Mitarbeiter gefeuert werden, nur weil irgendein Controller meint, die Zahlen stellten Aktionäre nicht zufrieden.

Sicher. Ein Restaurantbesitzer ist kein CMO in einem Großunternehmen. Von ihm lernen kann man trotzdem.

2 Gedanken zu „Das Vermächtnis des unbeugsamen Italieners“

  1. Moin,
    Sachma, wen willst du mit dieser Botschaft erreichen?

    Ich musste Begriffe wie „gentrifiziert“ erst einmal nachschlagen, um halbwegs zu verstehen, was du sagst – was du sagen möchtest, weiß ich immer noch nicht. Was soll mir denn bitte die Aussage „Der Mehlteig mit Belag kostete weniger als ein Fisch, der von weit her gereist war.“ mitteilen?

    Ist dein Blog nur etwas für Erlesene, die dem Fluss verschachtelter Sätze, gespickt mit elitärem Vokabular, folgen können? Die Sache mit der Uhr musst ich auch erst einmal nachschlagen – ein CEO und Ferrari-Besitzer wird das wohl nicht gemusst haben, aber liest der den Blog?
    Ich kann wenn ich will aber es ist recht mühselig. Ziel „Effort-Bias“?

    Aber vielleicht bin ich ja auch nur ein einfach gesrickter promovierter Naturwissenschaftler, dem sich die geschliffene Eloquenz des Marketings nicht leicht erschließt. Sprache war schon immer ein Instrument der Abgrenzung/Ausgrenzung.

    Meine Frage erneut gestellt: Wen willst Du ansprechen?

    Bis die Tage
    Edgar

  2. Guten Morgen Edgar,

    vielen Dank für Deinen Kommentar. no goldfish ist ein Marketing Blog, der jeden, der sich für das Thema Marketing interessiert, einlädt, die Artikel zu lesen.

    Erreichen möchten wir zwei Dinge: dass Menschen die Artikel – inhaltlich und sprachlich – genießen und, dass sie alle Aspekte kritisch hinterfragen. Wenn sie dabei unsere Themen- und Wortwahl kritisieren: um so besser. Nur so können auch wir dazu lernen.

    Möchten wir uns abgrenzen? Ja. Deshalb findest Du auf diesem Blog zum Beispiel keinerlei Werbung. Und die könnten wir bei der Anzahl unserer Leser durchaus schalten.

    Ist der Blog etwas für Erlesene? Vielleicht. Denn viele Menschen bevorzugen schlicht gestaltete Nachrichten, die sie schnell konsumieren können.

    Möchten wir irgendjemanden bewusst ausgrenzen? Nein.

    „Gentrifizierung“ ist ein in der Presse durchaus häufig genutzter Begriff, von dem ich als Verfasser des Artikels angenommen hatte, er sei inzwischen beim Publikum bekannt. „Erreichen wollte er diese Vision mit einem Restaurant abseits gentrifizierter Stadtteile, fern von denen, die nichts anderes im Kopf haben als sich selbst.“ will sagen: erfolgreiche Dinge passieren auch fernab der Stadtteile, die als „in“ gelten. Das heißt, man muss nicht jedem Trend folgen, um seine Ziele zu erreichen. Und: nicht jeder hat die gleichen Ziele im Leben.

    „Der Mehlteig mit Belag kostete weniger als ein Fisch, der von weit her gereist war.” heißt anders geschrieben: Die Pizza war billiger als ein Fisch von der Nordsee. Das ist in manchen Restaurants nicht mehr üblich. Dort bezahlt man für eine Pizza genauso viel wie für einen Fisch. Und dann frage ich mich als Besucher: Wie kann das sein? Wie entsteht dieses Missverhältnis? Und wer will hier wen veräppeln?

    „CEO und Ferrari-Besitzer wird das wohl nicht gemusst haben, aber liest der den Blog?“ Bilden für Dich ein Ferrari-Besitzer und ein CEO eine Einheit? Und trägt diese Gruppierung nicht zur Bildung von Vorurteilen bei? Sind alle CEOs und Ferrari-Besitzer etwa eloquent? Ich möchte diese These anzweifeln. Lesen diese Personen diesen Blog? Ich weiß es nicht. Wir sammeln keine persönlichen Daten über unsere Leser. Das ist eine bewusste Entscheidung.

    „Ich kann wenn ich will aber es ist recht mühselig.“ Dass Du willst, ehrt uns. Dass Du es als mühselig empfindest, nehmen wir in Kauf. Geloben allerdings auch bei der Wortwahl in Zukunft mehr auf allgemeine Verständlichkeit zu achten.

    Um also nochmal auf Deine Frage zurück zu kommen: Wir möchten Menschen wie Dich ansprechen. Solche, die wollen und die Mühe eines kritischen Kommentars nicht scheuen.

    Hoffentlich bis bald, Silvia alias Kreativer Frechling

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